Bio-Fleisch in der AHV: So kann’s funktionieren

Bio-Fleisch in der Außer-Haus-Verpflegung: So kann’s funktionieren

Darf das Schnitzel bio sein? Im Bereich Gemeinschaftsverpflegung ist das die Gretchenfrage. Nur wenige Betriebe wagen den Schritt, konventionelles gegen das teurere Bio-Fleisch auszutauschen. Doch es kann gelingen, sowohl die Gäste zufriedenzustellen als auch diejenigen, die das Essen kalkulieren und davon leben müssen.

Wenn schon Bio, dann doch bitte beim Fleisch! Betreiberinnen und Pächter von Kantinen, Schulmensen und Kitaküchen hören diesen Wunsch häufiger – gerade dann, wenn sie sich auf den Weg zu einem höheren Bio-Anteil bei ihren Zutaten gemacht haben. Denn ihren bio-affinen Gästen ist wichtig, dass die Tiere ein gutes Leben hatten. Das zeigten die Befragungen für das Öko-Barometer 2022 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft: Bei Bio-Käuferinnen und Käufern ist Tierwohl der wichtigste Beweggrund, zu ökologisch produzierter Ware zu greifen.

Andererseits scheuen diese Verpflegungseinrichtungen in der Regel davor zurück, Fleisch in Bio-Qualität anzubieten – selbst dann, wenn sie gute Erfahrungen mit Bio-Kartoffeln oder -möhren gemacht haben. Spätestens beim Fleisch lässt sich die Einführung von Bio-Lebensmitteln nur selten kostenneutral gestalten. Tierwohl hat seinen Preis: für größere Ställe, kleinere Herden, Weidegang mit dem damit verbundenen Aufwand und nicht zuletzt für die deutlich längere Mastdauer.

Natürlich ließe sich die Finanzierungslücke schließen, indem Fleisch weniger häufig und in kleineren Portionen auf den Speiseplan gesetzt würde. Aber der Wunsch nach Fleischgerichten in der Betriebsgastronomie ist ungebrochen. Immer noch heißt es aus vielen Großküchen: "Unsere Gäste wollen einfach ihr Schnitzel oder die Currywurst!" Bliebe also nur, die Preise anzuheben – und das würde erst recht nicht akzeptiert, fürchten die Betreibenden.

Ein Dilemma also, die Fleischfrage. Oder vielleicht doch nicht? Auf den diesjährigen Öko-Feldtagen zeigten mehrere Beispiele aus der Außer-Haus-Verpflegung, wie es doch funktionieren kann mit dem Bio-Fleisch – und zwar ohne die Gäste zu vergraulen.

"Bitte ab jetzt immer Bio!"

In der Hamburger Kantine der Bank DZ HYP stand 2022 an insgesamt zwölf Aktionstagen ökologisch produziertes Schweine- und Hähnchenfleisch auf dem Speiseplan. Das veränderte Angebot war Teil des Projekts ÖkoMenü, das von der Universität Kassel zusammen mit dem FiBL durchgeführt wurde. Untersucht wurde wodurch sich Gäste von Betriebskantinen dazu bewegen lassen, Gerichte mit Bio-Fleisch zu wählen, und welche Kommunikationsmaßnahmen hilfreich sind.

Das überraschendste Ergebnis des Projekts: Die Aktion kam bei den Gästen so gut an, dass Kantinenbetreiber Hill-Bothmann auch nach Projektende ganz überwiegend Bio-Fleisch einsetzt. Das Puten- und Hähnchenfleisch wurde zu hundert Prozent ausgetauscht. Rindfleisch, war zwar nicht Untersuchungsgegenstand wurde im Aktionszeitraum trotzdem aus ökologischer Tierhaltung bezogen. Mit Erfolg: der Anteil an Bio-Rindfleisch liegt auch hier nach der Aktion bei 100 Prozent, der vom Schwein zu 50 Prozent.

"Die Gäste wollten nicht, dass wir wieder zu dem bisherigen Fleisch zurückkehren. Einige von ihnen haben überhaupt erst wieder Fleischgerichte gegessen, seit wir sie in Bio-Qualität anbieten, vor allem beim Geflügel. Und uns in der Küche hat die Qualität begeistert: Das Putenfleisch schrumpfte in der Pfanne nicht zusammen. Wir bleiben dabei und erhöhen jetzt den Bio-Anteil auch bei anderen Zutaten."

Thies Hill-Bothmann, Leiter des Betriebscasinos der DZ HYP, Hamburg

Mit der Umstellung ging eine Preiserhöhung um einen Euro pro Essen einher. Die Befragung der Gäste ergab, dass sie für das Bio-Fleisch auch zwei Euro mehr in Kauf genommen hätten. Klar: Hier essen vor allem Bankangestellte, die vermutlich nicht jeden Cent zweimal umdrehen müssen. Andererseits profitiert Hill-Bothmann für seine Kalkulation von den externen Tischgästen, besonderes seit großzügige Homeoffice-Regelungen die Zahl der täglich im Bankgebäude Anwesenden stark verringert haben. Der Preis darf also weder die internen Tischgäste also auch die Externen abschrecken. Erfreulich daher, dass das Projekt "von allen gut angenommen", bestätigt er.

Nose to tail macht’s möglich

Szenenwechsel nach Karlsruhe. Dort betreibt das Ehepaar Gallotti mit dem "Erasmus" das nach eigener Aussage erste Fine-Dining-Restaurant Deutschlands, das zu 99 Prozent Bio-Zutaten verwendet. Ihr "Dreierlei vom biodynamischen Hähnchen mit Pfifferlingen und Steinpilzen" ist natürlich Welten vom Kantinen-Hähnchenragout entfernt, und die Preise sind es auch. Dennoch mussten sich auch die Gallottis genau überlegen, wie sie kalkulieren, um ausschließlich regionales Bio-Fleisch von ihnen persönlich bekannten Betrieben verwenden zu können.

Ihre Lösung: Sie kaufen nicht nur Filet und Steak ein, sondern verwerten nach Möglichkeit das ganze Tier. Für sie ist es nicht nur eine Frage der Nachhaltigkeit, sondern auch des Respekts – aber es rechnet sich auch: Selbst wenn man die Arbeitszeit für das Zerlegen und Zubereiten einbezieht, bringt ihnen die sogenannte Ganztierverwertung eine Kostenersparnis von vierzig Prozent gegenüber dem Einkauf von Einzelteilen.

Selbst die Innereien landen bei ihnen nicht im Hundefutter. Da es allerdings nur wenige Liebhaberinnen und Liebhaber von Leber, Niere und Herz gibt, kochen sie diese Teile ein, um sie über einen längeren Zeitraum abverkaufen zu können.

Die Mischung des "Erasmus" aus hervorragender Küche, regionalen Zutaten und Bio-Qualität kommt bei den Gästen jedenfalls gut an.

Hackfleisch als Kostensenker

Aber lassen sich die Erfahrungen der Gallottis auf andere Bereiche der Außer-Haus-Verpflegung übertragen? "Absolut", sagt Sandra Limpert. Sie geht durchaus ähnliche Wege, um Öko-Fleisch anbieten zu können – in ihrem Fall allerdings bei deutlich begrenzterem Budget und einer überaus preissensiblen Kundschaft. Limpert führt als Küchenleiterin des Ausbildungsverbunds Rhöner Lebensmittel e.V. im kleinen Ort Hilders die Ausbildungs- und Lehrküchen, die Schulen, Kitas und Seniorenheime mit Essen beliefert. 

Auch sie möchte möglichst frisch, regional und nachhaltig kochen. Und genau wie das "Erasmus" geht sie von dem Ansatz aus, dass es günstiger ist, das ganze Tier zu verwerten. Bei ihr heißt das: Ihre Küche verwendet vor allem die "unedlen" Teile in Form von Hackfleisch, während die Edelteile weitervermarktet werden. Gleichzeitig bietet sie häufiger vegetarische Gerichte an, um ihre Preise stabil halten zu können. In der ländlich geprägten Rhön ist das durchaus kein Selbstläufer.

"Ich gehe persönlich auf Elternabende in den Schulen und Kitas, um den Eltern zu erklären, warum es nicht jeden Tag ein Fleischgericht gibt. Es ist wichtig, dass sie verstehen: Es geht hier nicht darum, auf Kosten der Kinder zu sparen. Sondern alle gewinnen etwas, wenn wir Bio-Fleisch, Bio-Milch und Bio-Gemüse einsetzen."

Sandra Limpert, Ausbildungsverbund Rhöner Lebensmittel e. V.

Hauptsache Kommunikation!

Was zeigen diese drei sehr unterschiedlichen Beispiele? Zum einen: Bio-Fleisch und Außer-Haus-Verpflegung – das schließt sich nicht aus. Vor allem aber: Entscheidend ist die Kommunikation. Ob es die Service-Mitarbeitenden im "Erasmus" sind, die den Gästen erzählen, wo das Rind auf der Weide stand; ob es die Infoflyer zum Bio-Fleisch sind, die in der Kantine der DZ HYP auf den Tischen stehen, oder ob es Sandra Limpert ist, die persönlich auf Elternabenden spricht: Tischgäste möchten wissen, wofür genau sie mehr zahlen. Je glaubwürdiger und authentischer die Essensanbieterinnen und Essensanbieter dabei die Bio-Sache vertreten, desto besser.

Gleichzeitig sollten die Gäste mit den Botschaften nicht überfordert werden. Die Studie, die in der DZ-HYP-Kantine und in mit Gästen in einer weiteren Kantine in Berlin durchgeführt wurde, ergab unter anderem:

Realistische Fotos aus der Tierhaltung wirkten auf einige Gäste abschreckend, wenn sie direkt neben den Menüs gezeigt wurden. Die Bilder selbst bewerteten viele Gäste aber positiv, sodass sie sich zum Beispiel für die Kommunikation im Internet oder in Broschüren eignen.

Im Restaurant "Erasmus" sollen demnächst großformatige Bilder von Tieren auf der Weide aufgehängt werden. Wenn viel Platz und viel Grün zu sehen ist, erhoffen sich die Gallottis davon eine positive Wirkung.


Letzte Aktualisierung 26.04.2024

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