"Bereits kleine Nudging-Maßnahmen haben eine große Wirkung", versichert auch die Nudging-Expertin Agnes Streber, Leiterin des Ernährungsinstituts Kinderleicht in München. "Für Kantinen und Mensen ist dies besonders attraktiv, da die Umsetzung solcher Maßnahmen sehr kostengünstig und einfach sein kann."
Aus Erfahrungen lassen sich folgende Empfehlungen für Nudges ableiten:
- Platzieren Sie das vegetarische bzw. Biogericht an erster Stelle im Speiseplan bzw. räumlich an der ersten Ausgabestelle.
- Animieren Sie die Gäste mit leicht zugänglichen "Häppchen" einmal etwas Neues auszuprobieren.
- Präsentieren Sie einen Warenkorb zu den Gemüsesorten, die im Gericht des Tages verarbeitet wurden.
- Zeigen Sie mit einem gut sichtbaren Musterteller im Eingangsbereich, welches Gericht sie besonders hervorheben möchten.
- Verwenden Sie attraktives Geschirr für Salate oder Obst in Bioqualität.
- Bieten Sie Bio-Obst an mehreren Stellen und mit unterschiedlichen Darreichungsformen an, zum Beispiel als Obstsalat, als Stückobst, in einer to-go-Variante etc.
- Weisen Sie optisch attraktiv auf das Bio-Angebot hin, beispielsweise durch Hinweisschilder mit dem Bio-Siegel, grüne Tabletts, farbliche Codierung etc.
Nicht immer die gleiche Wirksamkeit
"Allerdings sind solche erwünschten Effekte im Hinblick auf die Auswahl nachhaltiger Gerichte nicht immer eindeutig und garantiert", dämpft Professorin Dr. Nina Langen von der TU Berlin vorschnelle Erwartungen. Als Leiterin des Teilprojekts "Gästeansprache" im Verbundprojekt NAHGAST hat sie mit ihrem Team die Wirksamkeit von identischen Nudging-Maßnahmen in den Küchen fünf verschiedener Praxispartner unter die Lupe genommen. Dabei zeigt sich: "Eine Intervention, die in einem Fall zu einem gewünschten Effekt führt, kann in einem anderen Setting nicht diese Wirkung aufweisen." So hat das Labelling bestimmter Speisen nicht klar zu den erwünschen Effekten geführt und auch die Wirksamkeit von Hintergrund-Informationen an der Theke bzw. Essensausgabe muss mit einem Fragezeichen versehen werden. "Manche Informationen können auch negative Effekte haben: So beispielsweise der Hinweis, dass eine zu große Vielfalt und Verfügbarkeit an Speisen zu Lebensmittelverschwendung führen, oder dass Gäste aus anderen Alternativen wählen können, wenn ein Gericht nicht mehr vorhanden ist."
Ausgabeposition hat stärksten Effekt
Die höchste Treffsicherheit haben nach den Erfahrungen aus dem NAHGAST-Projekt offenbar Änderungen der Ausgabeposition. Wenn ein nachhaltiges Gericht an der Stelle platziert wird, wo üblicherweise die Verkaufszahlen am höchsten sind, hat dies tendenziell auch einen positiven Effekt auf die Wahl dieses Gerichts. Die Studienergebnisse aus zwei Betriebskantinen illustrieren die Dimension:
Verkaufsanteile der nachhaltigen Gerichte vor und nach der optimierten Platzierung in zwei Betriebskantinen:
| Verkaufsanteil vorher | Verkaufsanteil nachher | Prozentuale Steigerung |
Betriebskantine 1 | 11,8 % | 15,1 % | Ca. 28 % |
Betriebskantine 2 | 29,1 % | 31,8 % | Über 9 % |
Quelle: www.nahgast.de
Maßnahmen an eigene Situation anpassen
Auch wenn bisher noch keine Nudging-Interventionen gefunden wurden, die in jedem Setting stets zum gewünschten Effekt führen, so zeigt sich doch: Nudging ist eine sanfte Möglichkeit, um die Tischgäste einer AHV bei der Auswahl des Essens zu beeinflussen. Dafür spricht zudem, dass es sich zu jedem Zeitpunkt des Wahl- und Verzehrverhaltens in der AHV flexibel einsetzen lässt und den Einrichtungen wenig Geld und Zeit kostet. Um die erwünschte Wirksamkeit zu erreichen, müssen die Interventionen jedoch gut auf die jeweilige Situation der Gäste und Küche abgestimmt werden. "Das reale Leben ist oft komplizierter als viele Studien glauben machen wollen", so Professor Nina Langen. Das Nugding, so das Fazit, stellt für viele Küchen der AHV eine interessante Möglichkeit dar, wenn sie bestimmte Maßnahmen nicht einfach nur kopieren sondern sie auf den eigenen Betrieb anpassen. Hier sind, neben Erkenntnissen aus der Wissenschaft, auch die Erfahrungen aus der Praxis gefragt.