Bio-Lebensmittel in der Jugendherberge

Bio-Lebensmittel in der Jugendherberge

Inzwischen bieten immer mehr Jugendherbergen in Deutschland ihren Gästen Bio-Lebensmittel an. Derzeit sind 121 der insgesamt 405 Jugendherbergen bio-zertifiziert – Tendenz steigend. Ein Bio-Pionier mit fast 100 Prozent Bio-Anteil ist die Jugendherberge in Murrhardt.

In der Regel entscheiden sich die Betreibenden der Herbergen dafür, einzelne Produkte oder Produktgruppen in Bio-Qualität anzubieten. Unter anderem werden Lebensmittel wieHonig, Milch, Nudeln, Eier, Kaffee, Tee oder Obst in Bio-Qualität eingesetzt. Welche Lebensmittel dies im konkreten Fall sind, bestimmt jede Jugendherberge beziehungsweise der dazugehörige Landesverband selbst. Dementsprechend kann es sein, dass sowohl die Art als auch der Umfang der eingesetzten Bio-Lebensmittel in den Jugendherbergen deutlich variieren.

Bayern

So ist beispielsweise der Einsatz von Bio-Lebensmitteln beim DJH-Landesverband Bayern Teil der nachhaltigen Unternehmensstrategie. 46 der 49 dortigen Jugendherbergen können bereits eine Bio-Zertifizierung vorweisen. Der erreichte Bio-Anteil liegt im Durchschnitt bei 26 Prozent – gemessen am monetären Wareneinsatz. "Wir streben für unsere Häuser deshalb eine Bio-Zertifizierung für das AHV-Logo in Bronze an", bekräftigt Elke Molkow, Referentin für Qualitätsmanagement und nachhaltige Unternehmensentwicklung im bayerischen Landesverband des DJH.

Einzelne Häuser liegen bereits deutlich darüber. So hat die Jugendherberge in Oberstdorf seit dem Frühjahr 2024 einen Bio-Anteil von fast 100 Prozent erreicht. Und sind die Preise für die Gäste gestiegen? "Nein", sagt der Herbergsleiter Jörg Simon. "Den größeren Einfluss auf den Wareneinsatz hatte die Inflation". Und durch Änderungen im Speiseplan ("wir kochen jetzt mehr vegetarisch") könne er Mehrkosten beim Einkauf abfedern.

Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg wurden 2018 alle Jugendherbergen nach dem Qualitätskonzept "Erlebnis Nachhaltigkeit" auditiert. Dieses Konzept beinhaltet unter anderem eine Zertifizierung, die einen Bio-Anteil von mindestens fünf Prozent in allen Jugendherbergen vorschreibt. Seitdem sind alle Jugendherbergen im Südwesten bio-zertifiziert und arbeiten daran, den Bio-Anteil kontinuierlich zu erhöhen.

"Dabei schreiten die Herbergen unterschiedlich schnell voran", weiß Pia Bah vom Landesverband Baden-Württemberg. "Viele haben inzwischen einen Bio-Anteil von 20 bis 25 Prozent erreicht, manche liegen schon darüber". In Heilbronn liegt der Bio-Anteil beispielsweise bei 38 Prozent und die Jugendherberge in Bad Urach will im Herbst 2024 die 50 Prozent Bio und damit das Bio-AHV-Logo in Silber erreichen.

Wie finde ich eine biozertifizierte Jugendherberge?

Auf der DJH-Website findet man nicht nur die Adressen aller Jugendherbergen in Deutschland, sondern kann über den Button “Profile Drittanbieter” auch gezielt nach den biozertifizierten Jugendherbergen filtern.

Bioland-Gold-Status für die Jugendherberge in Murrhardt

In Baden-Württemberg hat die Eugen-Nägele-Jugendherberge in Murrhardt ein herausragendes Bio-Konzept: Hier liegt der Bio-Anteil nach eigenen Angaben bei rund 98 Prozent. Als Angela und Jonas Kachel im Januar 2024 die Verantwortung für die Herberge übernahmen, war für sie gleich klar, dass sie beim Bio-Thema einen konsequenten Weg gehen wollen.

"Die Frage war nicht ob, sondern wie", berichtet Jonas Kachel. Der gelernte Koch ist für die Küchenleitung zuständig und seine Frau Angela für die Herbergsleitung. Inzwischen hat die Jugendherberge (Juhe) auch eine Bioland-Zertifizierung nach dem Gold-Standard. Beim Einkauf der Lebensmittel gibt es nur wenige Ausnahmen: "Beim Döner verwende ich das Fladenbrot vom örtlichen Döner-Bäcker, das ist authentisch", so Jonas Kachel.

Radikal erzeugernah

Überhaupt ist für ihn der direkte Kontakt zu den Lieferantinnen und Lieferanten ein zentraler Baustein im Konzept. Auf den Tisch kommt bevorzugt, was gerade wächst."Nicht ich als Koch bestimme den Speiseplan, sondern häufig entscheidet die Landwirtin oder der Landwirt, was ich koche". Damit das funktioniert, braucht er natürlich ein Netz von regionalen Lieferunternehmen. So war es für ihn ein Glücksfall, dass er in David Burkhardt vom nahegelegenen Wacholderhof einen Partner auf gleicher Wellenlänge und mit dem richtigen Angebot gefunden hat.

Salate, Gemüse sowie Rindfleisch vom Bioland-Betrieb landen nach einem kurzen Transportweg von rund fünf Kilometern auf den Tellern der Herberge. Das heißt natürlich auf der anderen Seite: Die Küche muss flexibel und kreativ sein, um jederzeit das Beste aus dem vorhandenen Angebot herauszuholen. "Wenn mein Eierlieferant gerade viele Eier hat, dann gibt es bei uns Pfannkuchen oder Spätzle", so der Küchenchef.

Handwerkliche Arbeit statt Convenience

Die Entscheidung für Bio bedeutet für Jonas Kachel auch, auf handwerkliche Arbeit statt auf Convenience zu setzen. So macht das vierköpfige Team inklusive einer Auszubildenden nicht nur die Klöße und Spätzle selbst, sondern auch Pasta und viereckige Schupfnudeln. Für den Kochprofi, der schon im Schlosshotel Monrepos in Ludwigsburg am Herd stand, ist das ein Heimspiel.

Mehrarbeit versucht er durch eine clevere Arbeitsorganisation und vorausdenkende Speiseplanung aufzufangen. So bereitet er Quinoa gleich in großen Mengen vor: einmal für ein Pfannengericht und schon für den Salat am nächsten Tag. Wenn es mal schnell gehen muss, sind Butterkartoffeln eine gute Lösung. "Die brauchen nur 25 Minuten." Andere Dinge lassen sich gut vorbereiten, wenn dafür Zeit ist. So kocht er an einem Tag mal nur Saucen, wie beispielsweise eine vegane Bratensauce mit getrockneten Tomaten.

Der DJH Baden-Württemberg gab uns die Freiheit, diesen Weg zu gehen. Ohne dieses Vertrauen wäre es uns heute nicht möglich, den Kindern neue Horizonte beim Essen zu eröffnen. (Jonas Kachel, Koch in der Eugen-Nägele-Jugendherberge)

Bewährtes und Neues in balancierter Mischung

"Wir kochen kindgerecht", so Kachel. Kindgerecht heißt zum Beispiel: Auf dem Speiseplan stehen Pizza, Käsespätzle oder Spaghetti Bolognese. Aber er spielt immer auch mit außergewöhnlichen Zutaten wie Quinoa, Hirse oder Buchweizen. Sein Erfolgsrezept ist eine gut balancierte Mischung: Einerseits geht er auf die Wünsche der Tischgäste ein, anderseits bringt er auch Neues auf die Teller. Wenn es Pizza gibt, sind zwei Drittel davon Typ Margherita, der Rest Gemüse-Pizza. Nach seinen Erfahrungen greifen die Kids meist zuerst zur gemüsefreien Pizza. Dann motiviert er zum Probieren. Dabei begegnet er den Kindern auf Augenhöhe. "Zwang ist kontraproduktiv" – und auch gar nicht nötig. Denn Kinder probieren sehr gerne auch mal was Neues aus, solange sie es selbst entscheiden dürfen.

"Gegen lecker kann sich keiner wehren"

Um gewisse Mehrkosten beim Einkauf abzufedern, nutzt Jonas Kachel die bekannten Instrumente: Der Fleischanteil ist gering, aber es gibt ihn. Zum Beispiel grillt er Würstchen vom Bioland-Betrieb Bihlmaier auf der Schwäbischen Alb oder verwendet das Fleisch der Limpurger Rinder vom Wacholderhof für Pulled Beef, Bolognesen, Frikadellen, Gulasch und Maultaschen.

Die Mehrkosten für Bio-Käse spart er ein, indem er die Käsescheiben etwas dünner schneidet: 20 Gramm statt 30 Gramm pro Scheibe. Da die Bio-Karotten aromatischer schmecken, braucht er davon weniger in der Suppe. Und der intensive Bio-Apfelsaft lässt sich gut mit Wasser verdünnen. Am Ende, so sein Fazit, entscheidet der Geschmack über den Erfolg. "Und gegen lecker kann sich keiner wehren", sagt er mit einem Augenzwinkern.


Letzte Aktualisierung 14.08.2024

Nach oben
Nach oben