Grünes Wunder: Bio für Kinder seit 16 Jahren

Grünes Wunder: Bio für Kinder seit 16 Jahren

Im Interview mit Oekolandbau.de spricht Jacqueline Stratonowitsch, Geschäftsführerin von GRÜNES WUNDER Die Vollwertküche GmbH, über die neue Bio-AHV-Verordnung, logistische Herausforderungen und Krisen der letzten Jahre und was ihrer Meinung nach für mehr Bio in der Außer-Haus-Verpflegung getan werden müsste.

Jacqueline Stratonowitsch

Jacqueline Stratonowitsch ist Geschäftsführerin der GRÜNES WUNDER Die Vollwertküche GmbH. Das Unternehmen kocht an zwei Küchenstandorten in Dresden für insgesamt 19 Einrichtungen, darunter sechs Schulen und dreizehn Kindertagesstätten. Bereits seit 16 Jahren ist das Grüne Wunder biozertifiziert. Ausgelobt werden die Zutaten, die ausschließlich in Bio-Qualität eingekauft werden, wobei rund 80 Prozent des Wareneinsatzes Bio-Zutaten sind.

Wir sollten viel eher in der Gesellschaft den Fokus darauflegen, dass unser Lebensstandard in der jetzigen Form nicht bestehen bleiben wird. Was können wir dazu beitragen, damit die Transformation gelingt? Und da muss man dann über unseren hohen Fleischkonsum reden.

Oekolandbau.de: Welche Einrichtungen beliefern Sie mit Ihrem Cateringunternehmen?

Stratonowitsch: Wir bekochen mit 26 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern insgesamt 19 Einrichtungen, darunter Kindergärten, Kindertagesstätten und Schulen sowie deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Umkreis von acht Kilometern um Dresden. In der Küche einer Waldorfschule kocht ein Team direkt vor Ort für die Schülerinnen und Schüler und zusätzlich für drei Kindergärten, in die das Essen geliefert wird. Die zweite Küche beliefert fünf Schulen und zehn Kindergärten mit frisch gekochtem Mittagessen. Aus Gründen der Nachhaltigkeit gibt es nur ein Gericht für alle Kinder und Erwachsenen. 

Oekolandbau: Wie hoch ist Ihr Bio-Anteil und warum haben Sie sich gegen eine Auszeichnung in einer der drei Kategorien "Gold, Silber, Bronze" entschieden? 

Stratonowitsch: Wir sind bereits seit 16 Jahren bio-zertifiziert, verwenden rund 80 Prozent Bio-Produkte und führen eine Auslobungsliste, aus der genau ersichtlich ist, welche Bio-Lebensmittel verwendet werden. Durch die neue AHVV hat sich für uns eigentlich nichts geändert. Die Auszeichnung in der Kategorie "Silber" würde sich für uns nicht lohnen, da es mehr Geld kostet und für die Kundschaft nicht unbedingt relevant ist. Der Aufwand ist einfach zu groß, da die monetären Nachweise monatlich erbracht werden müssen und die Zertifikate monatlich entzogen werden können, wenn der Anteil nicht erreicht wurde. Gerade in der aktuellen Situation habe ich keine ausreichenden Liefergarantien für Bio-Produkte. 

Der Bio-Anteil wird außerdem nicht nach der Menge, sondern nach dem Preis der Ware berechnet. Das heißt, wenn ich hochpreisige Lebensmittel wie Fleisch einsetze, komme ich auch schneller in einer der Kategorien "Bronze", "Silber" oder "Gold". Das habe ich von Anfang an kritisiert.

Oekolandbau.de: Denken Sie, dass die neue AHVV Vorteile für AHV-Betriebe bringt?

Stratonowitsch: Wenn man die Gemeinschaftsverpflegung an die Hand nimmt und ausreichend informiert – wie es sich in den letzten Jahren entwickelt hat – ist es einfacher geworden, sich zertifizieren zu lassen – insbesondere mit der Auslobungsliste, wie wir sie verwenden. Grundsätzlich war es der richtige Weg: Nach vielen Jahren wurde endlich eine einheitliche Zertifizierung für alle Caterer geschaffen, die transparent ist. 

Statt einzelnen Komponenten, wie zum Beispiel Bio Petersilie oder Bio-Joghurt oder Menüs, wie einmal in der Woche Bio-Kartoffelsuppe wird die Auslobungsliste, in welcher alle verwendeten Bio-Produkte aufgeführt sind, verbindlich festgeschrieben. Schön wäre es allerdings, wenn die neue Zertifizierung auch für die Gäste besser beworben werden würde und zwar so, dass es wirklich jeder versteht. Und ich fände es gut, wenn die privatwirtschaftlichen Bio-Kontrollstellen durch staatliche ersetzt werden würden.

Oekolandbau.de: Gibt es Hemmnisse, die aus Ihrer Sicht Küchen an einer Bio-Zertifizierung hindern?

Stratonowitsch: Im Moment bin ich mir nicht sicher, ob das Thema Bio-Zertifizierung eine hohe Relevanz in der AHV hat, denn die meisten Cateringunternehmen kämpfen ums Überleben. Wir hatten gerade die Mehrwertsteuererhöhung, die Erhöhung der Müllgebühren bis zu 180 Prozent. Da rede ich noch gar nicht von den vielen anderen Preiserhöhungen bei Strom und Wasser, Mieten, dem Fuhrpark unabhängig von den gestiegenen Benzinkosten, wenn man selbst ausfährt. 2022 gab es drei Mindestlohnerhöhungen, die letzte Anfang 2024 und für 2025 ist die nächste geplant. Das sind alles Kosten, die auf den Essenspreis aufgeschlagen werden. 

Bio ist wichtig und gut, aber das in einer Zeit hervorzuheben, die so unsicher und krisenbehaftet ist, finde ich schwierig. Ich würde hier eher das Augenmerk auf Regionalität und Saisonalität legen. Und wenn es die Speisen und Lebensmittel dann noch in bio gibt, gehen wir in die richtige Richtung. Man muss ebenso bedenken, dass in den Städten wie in Dresden, Leipzig oder Chemnitz Bio-Essen eine größere Rolle spielt als auf dem Land, wo es darum geht, überhaupt ein Cateringunternehmen für die Einrichtungen zu finden. Hier kann es sein, dass zum Beispiel die Fleischerei um die Ecke oder die verbliebene Kneipe die nahegelegenen Schulen und Kitas beliefert. 

Oekolandbau.de: Wie kann es gelingen, dass das Thema gesunde und nachhaltige Ernährung einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft bekommt?

Stratonowitsch: Es fehlt die Ernährungsbildung angefangen in der Familie, in der oftmals nicht mehr selbst gekocht wird bis hin zu den Kindergärten und Schulen, in denen Ernährung eine eher untergeordnete Rolle spielt. Das Problem ist, dass Cateringunternehmen vor allem nicht umstellen, weil es von der Kundschaft überhaupt nicht nachgefragt wird. Bio ist nach wie vor eine Nische wie vegetarisch oder vegan. Diese Ernährungsformen kommen zwar in der Mitte der Gesellschaft langsam an, aber Regionalität und Saisonalität besitzen eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung. Deshalb sollten wir diese vielmehr in den Vordergrund stellen. Das ist im Moment für die Menschen viel wichtiger, weil sie damit ihre Region, mit der sie sich verbunden fühlen, stärken können. 

Manchmal bekomme ich im Winter von Kindergärten Anfragen, warum es zur Vesper oder zum Frühstück keine Himbeeren und Heidelbeeren gibt. Das meine ich mit Bildung: Die Leute sind so weit weg von dem, was beim Thema Ernährung wichtig wäre, dass ich gar nicht weiß, wie man das noch einfangen kann.  

Wir sollten viel eher in der Gesellschaft den Fokus darauflegen, dass unser Lebensstandard in der jetzigen Form nicht bestehen bleiben wird. Was können wir dazu beitragen, damit die Transformation gelingt? Und da muss man dann über unseren hohen Fleischkonsum reden. Führt er dazu, dass unser Lebensstandard am Ende sinkt? Das würde ich mit einem Ja beantworten. Ich denke, solch relevanten Themen in die Bevölkerung zu tragen, wäre sehr sinnvoll. Der Bürgerrat "Ernährung im Wandel" hat der Bundesregierung verschiedene – wie ich finde – sehr sinnvolle Vorschläge gemacht. Alle Punkte kann ich zu 100 Prozent unterschreiben. Leider sind diese Vorschläge für die Bundesregierung nicht bindend.

Bürgerrat "Ernährung im Wandel": Neun Empfehlungen zur Verbesserung der Ernährungspolitik

  1. Kostenfreies Mittagessen für alle Kinder
  2. Bewusstes Einkaufen leicht gemacht durch ein verpflichtendes staatliches Label
  3. Verpflichtende Weitergabe von genießbaren Lebensmitteln durch den Lebensmitteleinzelhandel
  4. Lebensbedingungen und Herkunft von Tieren transparent darstellen
  5. Neuer Steuerkurs für Lebensmittel
  6. Gemeinschaftsverpflegung in Pflegeeinrichtungen
  7. Verbrauchsabgabe zur Förderung des Tierwohls
  8. Altersgrenze für Energydrinks
  9. Mehr Personal für Lebensmittelkontrollen und bessere Transparenz

Eine übergreifenden Empfehlung ist, dass Aufklärung und Bildung das Fundament für alle anderen Empfehlungen des Bürgerrats sind.

Zu den ausführlichen Empfehlungstexten auf der Webseite Bundestags (PDF-Dokument)

Oekolandbau.de: Was sind Ihre großen alltäglichen Herausforderungen auf der Arbeit?

Seit etwa zwei Jahren haben wir immer häufiger mit Lieferengpässen zu kämpfen. Im Moment ist es zum Beispiel schwierig, Bio-Olivenöl zu bekommen. Die Ernte in den südeuropäischen Ländern war letztes Jahr schlecht und die Preise steigen stetig. Da wir nicht auf konventionelles Olivenöl zurückgreifen wollen, kaufen wir das teurere Bio-Olivenöl. Auch bei Bio-Kartoffeln gibt es immer wieder Lieferengpässe. Hier muss ich manchmal auch auf konventionelle Kartoffeln zurückgreifen. Wir informieren dann alle Einrichtungen, dass unser Lieferant keine Bio-Kartoffeln liefern kann. Ein Hinweis liegt dann auch an der Essensausgabe der Schulen aus.

Oekolandbau.de: Wie halten Sie es mit Fleisch und Zucker in Ihren Menüs?

Bei uns gibt es nur einmal in der Woche Fleisch oder Fisch. Alle Nachtische machen wir selber. So können wir bestimmen, wie viel Rohrohrzucker verwendet wird. Denn auch Bio-Fertigprodukte sind stark gezuckert, was ich vor dem Hintergrund, dass immer mehr Kinder adipös sind, kritisch sehe. Auch Salz setzen wir sehr reduziert ein. Dafür würzen wir mit verschiedenen Kräutern. Wir stellen immer wieder fest, wenn wir neue Köchinnen oder Köche einstellen, dass sie ein halbes Jahr oder mehr brauchen, um ihren Geschmack entsprechend anzupassen. Wenn ich ein Kleinkind mit überzuckerten Produkten füttere, prägt das die Kinder bis ins hohe Alter. Daher komme ich wieder auf mein Hauptthema zurück: Ernährungsbildung ist das Wichtigste und Kinder orientieren sich nun mal an Erwachsenen. Das, was vorgelebt wird, wird nachgelebt.


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Letzte Aktualisierung 06.02.2024

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