Alte Sorten erhalten – denn Vielfalt schmeckt!

Alte Sorten erhalten – denn Vielfalt schmeckt!

Regionale Wertschöpfungsketten für alte, samenfeste Gemüsesorten aufzubauen – das war ein Ziel des Projektes "Vielfalt schmeckt!". Doch was macht eine "alte Sorte" eigentlich aus? Was bedeutet "samenfest"? Und warum ist die Erhaltung alter, samenfester Sorten so wichtig? Diese und weitere Fragen beantwortet Biologin Tatjana Quednau im Interview.

Mehr als 1.130 einheimische Gemüsesorten stehen auf der Roten Liste, weil sie vom Aussterben bedroht sind. Im Apfelerwerbsanbau machen 20 Sorten rund 90 Prozent der Anbaufläche in Deutschland aus. Und auch im Bereich vieler anderer Kulturpflanzen wie zum Beispiel Getreide geht die Biodiversität stark zurück. Es wird geschätzt, dass bereits über 75 Prozent der Sorten verloren gegangen sind.

ProSpecieRara, die Gemeinnützige Gesellschaft für die kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren in Deutschland, setzt sich für den Erhalt alter Sorten ein. Zum Beispiel auch im Rahmen des Projektes "Vielfalt schmeckt!", welches von 2021 bis 2023 vom Bundesprogramm Ökologischer Landbau gefördert wurde. 

Wir haben mit Tatjana Quednau über die Bedeutung von alten Sorten für die Gesellschaft und den Erhalt der genetischen Vielfalt gesprochen.

Tatjana Quednau...

... ist Diplom-Biologin und aktuell als Prokuristin sowie als Projektleiterin für die Erhaltungsorganisation ProSpecieRara Deutschland tätig. Das Projekt "Vielfalt schmeckt" hat sie im Jahr 2023 begleitet. Ziel des Projektes war es, Wertschöpfungsketten von alten, schützenswerten Kultursorten von der Erzeugung über den Großhandel bis hin zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu stärken beziehungsweise aufzubauen. Mit dem Leitspruch "Vielfalt auf Acker und Teller" sollten Konsumentinnen und Konsumenten einen Zugang zu diesen besonderen Gemüse- und Obstsorten bekommen und somit den Erhalt der Kulturen und dessen Genetik zu sichern. Tatjana Quednau war als Mittelsperson beim Naturkostgroßhändler Rinklin in Eichstätten tätig. Ihre Aufgaben waren vielfältig. Unter anderem hielt sie die Kontakte zu den Erzeugerinnen und Erzeugern, beriet das Team vor Ort und kümmerte sich um die Öffentlichkeitsarbeit.

Oekolandbau.de: Was macht eigentlich eine Gemüsesorte zu einer "alten Sorte"?

Tatjana Quednau: Im Rahmen des Projektes "Vielfalt schmeckt" haben wir einen Leitfaden entwickelt, in dem wir die Kriterien für alte Sorten definieren. Eine alte Sorte muss schon über Jahre angebaut worden sein – wie viele das sind, ist je nach Sorte unterschiedlich und in spezifischen Artkriterien definiert. Außerdem muss das Saatgut aus einer vertrauenswürdigen Quelle stammen. Darüber hinaus gibt es Kriterien, die nicht alle erfüllt werden müssen, aber bei der Sortenbeurteilung berücksichtig werden: Hat die Sorte eine historische Bedeutung? Wird sie nur selten angebaut? Hat sie besondere Eigenschaften wie Geschmack, Optik, Robustheit? Ausgeschlossen sind Sorten, die ein Patent haben, Hybride oder gentechnisch modifizierte Pflanzen.

Bildergalerie: Alte Gemüsesorten

Oekolandbau.de: Was bedeutet "samenfest"?

Bei einer samenfesten Sorte können die Samen einer Pflanze genutzt werden, um neue Pflanzen zu ziehen, die dieselben Eigenschaften und die gleiche Gestalt wie die Elternpflanzen haben. Wenn Sie also zum Beispiel eine Tomatenpflanze im Garten anbauen, die samenfest ist, können Sie die Kerne der Tomaten verwenden, um im nächsten Jahr daraus neue Tomaten zu ziehen.

Im Gegensatz dazu stehen Hybrid-Pflanzen. Hier werden zwei Elternlinien miteinander gekreuzt und die daraus entstehenden Pflanzen vereinen die positiven Eigenschaften der Eltern. So liegt der Ertrag beispielsweise deutlich über dem der Elternlinien. Eine Nachzucht aus dem Samen von Hybridpflanzen bringt jedoch eine neue Generation hervor, die aus absolut unterschiedlichen Pflanzen besteht. Die Eigenschaften der Eltern sind nicht mehr vorhanden. Dies führt dazu, dass Sie bei der Verwendung von Hybridpflanzen jedes Jahr neues Saatgut kaufen müssen. Man erkennt Hybridsaatgut übrigens an dem Zusatz "F1" im Sortennamen.

Oekolandbau.de: Warum ist die Erhaltung von alten Sorten wichtig?

Sortenvielfalt ist eine wichtige Grundlage für die Sicherung unserer Ernährung. Denn Vielfalt in den Sorten bedeutet Vielfalt in den Genen und damit Vielfalt in den Eigenschaften der Lebewesen. Diese Eigenschaften könnten wieder gefragt sein, wenn neue Krankheiten auftreten oder sich das Klima verändert. Außerdem punkten alte Sorten häufig mit mehr gesunden Inhaltsstoffen und besserer Verträglichkeit zum Beispiel für Allergikerinnen und Allergiker. Die Verwendung von Sorten, die vermehrt werden können, macht uns darüber hinaus unabhängig von multinationalen Saatgutkonzernen.


Vielfalt schmeckt - der Film


Oekolandbau.de: Wie kann ich beim Einkauf alte Gemüsesorten erkennen?

Ein Ziel des Projektes"Vielfalt schmeckt" war es, den Absatz alter, schützenswerter Sorten voranzubringen. Dazu haben wir gemeinsam mit unseren Projektpartnern, den Naturkostgroßhändlern BODAN und Rinklin, zum Ende des Projektes die Auszeichnung "Echt alte Sorte" entwickelt. Der Großhandel kann alte, schützenswerte Sorten in ihrem Sortiment mit dieser Auszeichnung kenntlich machen. Diese Auszeichnung ermöglicht es, ganz gezielt auf alte Sorten aufmerksam zu machen. Dadurch tragen wir weiterhin zum Erhalt der Sortenvielfalt auf unseren Äckern und Gärten bei.



Letzte Aktualisierung 23.05.2024

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