Vermarktung von Bruderhähnen

Bruderhähne – das etwas andere Bio-Fleisch

Die Vermarktung von Hähnen aus Legelinien stellt den Handel vor große Herausforderungen. Mit dem Verbot des Kükentötens wird das Angebot 2022 noch erheblich zunehmen. Um Bruderhahn-Produkte erfolgreich auf dem Markt zu etablieren, ist bei den Verarbeitungs- und Handelsunternehmen Kreativität gefragt.

Gesetzeslage zum Kükentöten

Seit dem 1. Januar 2022 ist in Deutschland das Töten der Eintagsküken verboten. Die Bio-Verbände hatten schon ein Jahr zuvor beschlossen, ab 2022 alle Brüderhähne aufzuziehen. Langfristig setzt die Bio-Branche jedoch auf Zweinutzungsrassen. Dafür ist jedoch noch viel Züchtungsarbeit zu leisten. Die konventionelle Branche setzt bislang auf In-Ovo-Selektion, das heißt, die Geschlechtsbestimmung im Ei und das Aussortieren der Eier mit männlichen Küken. Dies soll nach dem Willen der Bundesregierung bis zum 6. Bruttag möglich sein. Praxistaugliche Verfahren aber können in der Regel erst ab dem 8. oder 9. Bruttag das Geschlecht unterscheiden. Kritische Stimmen sehen darin nur ein vorgezogenes "Töten im Ei", weil der Embryo spätestens am siebten Tag ein Schmerzempfinden entwickelt hat.

Vor- und Nachteile der Alternativen zum Kükentöten

Besonderheiten der Bruderhahn-Vermarktung

Bruderhähne werden eher selten als ganze Tiere vermarktet. Häufig werden sie in verarbeiteten Produkten, wie zum Beispiel Bruderhahn-Frikassee, Gockel-Bolognese oder Bruderhahn-Suppe verwendet. Damit wird Bruderhahnfleisch ähnlich verwendet wie das Fleisch von Althennen oder Suppenhühnern. Da die Bruderhähne nur für das Fleisch aufgezogen werden, lässt sich deren Haltung mit der Haltung klassischer Masthähnchen vergleichen. In der Regel ist die Haltung der hochspezialisierten Mastrassen für die landwirtschaftlichen Betriebe wirtschaftlicher als die Aufzucht der Bruderhähne.

Direktvermarktung von Bruderhähnen finanziell attraktiv

2020 brachte ein Kilogramm Bruderhahnfleisch im Direktabsatz durchschnittlich 13,80 Euro, wie eine Auswertung der Agrarmarkt Informationsgesellschaft (AMI) zeigt. Die deutlich häufigeren Bio-Jungmasthühner konnten für durchschnittlich 11,36 Euro pro Kilogramm vermarktet werden. Den geringsten Erlös brachten Althennen mit 8,24 Euro pro Kilogramm. Die Entwicklung der Abgabepreise könnte unterschiedlicher kaum sein: Jungmasthühner und Legehennen blieben im Vergleich zum Vorjahr auf einem stabilen Preisniveau. Dahingegen legten die Bruderhähne im Preis deutlich zu. Für 1,30 Euro mehr pro Kilogramm konnte ein Bruderhahn 2020 im Vergleich zum Vorjahr verkauft werden, das entspricht einer Steigerung von rund zehn Prozent.

Die hohen Preise für Bruderhähne sind nach Brancheninformationen aber nur in der Direktvermarktung möglich. Im Lebensmitteleinzelhandel sind Produkte aus Bruderhähnen nur vereinzelt zu finden.

Masthähnchen bei der Käuferschaft auf Platz Eins

Seit einigen Jahren hat die Haushaltsnachfrage nach Bio-Geflügelfleisch kontinuierlich zugenommen. Während sich das Wachstum im Zeitraum 2014 bis 2019 jedoch moderat gezeigt hat, erlebte Bio-Geflügel 2020 einen regelrechten Boom. Laut AMI-Analyse des GfK-Haushaltspanels haben die Haushalte in Deutschland 2020 rund 12.700 Tonnen Bio-Geflügel eingekauft. Den größten Anteil nahmen dabei Bio-Hähnchen (8.300 Tonnen) ein, die ähnlich wie Hähnchen im konventionellen Markt den größten Verbraucherzuspruch genießen. An zweiter Stelle stehen seit Jahren Bio-Puten. Deren Verkaufsmengen sind bis 2019 weitestgehend stabil geblieben, haben aber im Jahr 2020 einen deutlichen Mengenzuwachs erlebt.

Bruderhähne fallen neben Wasser- (Enten und Gänse), Spezialgeflügel (Miniputen, Wachteln, Fleischtauben) sowie Althennen unter die Einkaufsmenge des sonstigen Geflügels. Im Jahr 2020 wurden insgesamt 2.300 Tonnen des sonstigen Geflügels eingekauft. Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Einkaufsmenge annähernd verdreifacht. Allerdings waren die Einkaufsmengen 2019 deutlich zurückgegangen, weil insbesondere Gänse aufgrund einer Vogelgrippe aufgestallt werden mussten, und mangels Platzes deutlich früher und damit kleiner geschlachtet wurden als geplant.

Marktplatzierung birgt enorme Herausforderungen

Laut einer Auswertung der AMI-Strukturdaten bei den Öko-Kontrollstellen lebten 2019 rund 5,95 Millionen Bio-Legehennen in Deutschland. 41 Prozent der Bio-Legehennen lebten auf einem Betrieb der vier Bio-Verbände Biokreis, Bioland, Demeter und Naturland. Naturlandbetriebe halten dabei mit Abstand die meisten Legehennen. Ende 2020 haben die Verbände Demeter, Bioland, Naturland und Biokreis beschlossen, ab 2022 aus dem Kükentöten auszusteigen. Demnach müssen allein von diesen Verbandsbetrieben rund 2,7 Millionen Bio-Bruderhähne aufgezogen werden. Nach Angaben von Biohandel-online ziehen die Naturland-Betriebe bislang rund die Hälfte der Brüderhähne groß, bei Demeter sind es schon mehr als die Hälfte.

Sollten alle Bio-Brüder großgezogen werden, würden allein rund 8.500 Tonnen Schlachtgewicht beziehungsweise 5.400 Tonnen Bruderhahnfleisch erzeugt – Fleisch, für das es bislang nur begrenzt Verwendung gibt. Schon die Althennen, insbesondere aus den großen Legehennenbetrieben, werden teilweise konventionell vermarktet, weil diese Produkte kaum am Bio-Markt unterkommen. Würden nur die Verbandtiere aufgezogen, wären das immer noch 2.200 Tonnen Bruderhahn-Fleisch.

Um das ethische Dilemma zwischen Kükentöten, hohem Futterverbrauch und der Erzeugung von ungewohntem Fleisch zu lösen, ist nun insbesondere bei den Verarbeitungs- und Handelsunternehmen Kreativität gefragt. Der Verkauf wird wie bei der Bruderhahn-Initiative durch einen Mehrpreis bei den Eiern quersubventioniert. Aber auch die Produkte selbst müssen sich tragen. Die hohen Preise sind erklärungsbedürftig – aber einer informierten Kundschaft nicht nur im Direktverkauf, sondern auch im Naturkosthandel oder an der Fleischtheke vermarktbar. Wie bei vielen anderen Produkten zählt auch hier die Geschichte zum Produkt – und durchaus die Bereitschaft der Kundschaft nicht nur Eier, sondern auch einmal im Jahr einen Hahn dazuzukaufen.


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Letzte Aktualisierung 01.04.2021

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