Wer entscheidet, woran geforscht wird?

Forschung im BÖL – Wer entscheidet, woran geforscht wird?

Mehr Forschung für den Öko-Landbau – das wünscht sich die gesamte Branche. Bei der Frage, was konkret erforscht werden soll, wird es etwas schwieriger. Denn der Forschungsbedarf ist in vielen Bereichen groß, die finanziellen Mittel aber begrenzt. Das BÖL hat deshalb für die Forschungsförderung ein System entwickelt, das die unterschiedlichsten Forderungen aus Praxis, Wissenschaft und Beratung so fair wie möglich zusammenführt.

Jedes Jahr stehen dem Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) etwa 20 Millionen Euro zur Verfügung, um Forschungsprojekte zu finanzieren. Mit diesem Budget werden Forschungsvorhaben aus allen Bereichen der ökologischen  Land- und Lebensmittelwirtschaft gefördert, vom Acker-, Obst- und Gemüsebau über die Tierhaltung bis hin zur Verarbeitung und Vermarktung von Bio-Produkten.

Doch wer entscheidet, ob verstärkt im Bereich der Geflügelzüchtung geforscht wird oder in der Schweinehaltung? Warum werden alternative Methoden zur Schädlingsbekämpfung im Obstbau gefördert, aber nicht im Ackerbau? Wie wird festgelegt, wie lange und intensiv an einem Projekt gearbeitet wird und ob es Anschlussprojekte gibt? Und was passiert mit den Ergebnissen?

Forschungsförderung ist anspruchsvoll

"Die konkrete Forschungsförderung ist anspruchsvoll, insbesondere die Frage, was gefördert wird", sagt Dorothee Hahn, Leiterin der Geschäftsstelle des Forschungsmanagements BÖL. Genauso anspruchsvoll ist das von der Geschäftsstelle im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) entwickelte Verfahren, das von der ersten Idee für ein Forschungsthema zum konkreten Forschungsprojekt führt.

Denn die Geschäftsstelle BÖL legt nicht im Alleingang fest, welche Inhalte in welchem Rahmen erforscht werden sollen. In diesen Prozess sind viele externe Fachleute aus Praxis, Forschung, Beratung, Verbänden und Politik eingebunden, die die Vorschläge in festen Gremien und auf vielen Ebenen diskutieren, prüfen und entscheiden.

Übergeordnete Forschungsthemen identifizieren

In einem ersten Schritt identifizieren die Mitarbeitenden des BÖL im Auftrag des BMEL sogenannte Themenfelder für mögliche Projekte, die zum jeweiligen Zeitpunkt als wichtig für die Weiterentwicklung des Öko-Landbaus angesehen werden. Das können zum Beispiel der Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten sein oder die Züchtung neuer Geflügelrassen für die ökologische Haltung.

Um Themenfelder festzulegen, sammelt die Geschäftsstelle BÖL Informationen auf vier Ebenen. Neben den Einschätzungen der eigenen Mitarbeitenden fließen hier auch Empfehlungen der Agrarforschungsallianz (DAFA) ein und die Kernziele, die bereits in der Zukunftsstrategie ökologischer Landbau (ZöL) formuliert sind.

Zudem wird in verschiedenen Weiterbildungsreihen wie den Wissenstransferveranstaltungen des BÖL aktiv der Forschungsbedarf von Praxisbetrieben und der Beratung ermittelt. "Nur, wenn sich auf allen Ebenen ein klares Themenfeld herauskristallisiert, wird es nach Abstimmung mit dem Landwirtschaftsministerium weiter diskutiert", sagt Dorothee Hahn.

Bewertung auf vielen Ebenen

Die ermittelten Themenfelder werden anschließend mit dem Referat Öko-Landbau im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) festgelegt. Hat man sich hier auf ein Themenfeld festgelegt, werden weitere Fragestellungen dazu in einem Fachgespräch erarbeitet. Hier kommen bis zu 15 Expertinnen und Experten aus dem jeweiligen Fachbereich zusammen. Die Organisation der Fachgespräche übernimmt in der Regel die Geschäftsstelle BÖL.

Die Expertinnen und Experten konkretisieren in diesen Gesprächen die Fragestellungen und den Handlungsbedarf in einem Themenfeld. So wird hier zum Beispiel festgelegt, welche Methoden und Managementmaßnahmen im Fokus stehen sollten. Die Geschäftsstelle legt großen Wert darauf, dass an den Gesprächen nicht nur Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen teilnehmen, sondern auch Fachleute aus der Praxis und Beratung.

Bewerbung per Forschungsskizze

Auf Basis der erarbeiteten Eckpunkte veröffentlicht die Geschäftsstelle in Abstimmung mit dem BMEL anschließend eine Bekanntmachung für ein Themenfeld, auf die sich Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Beratungsinstitutionen bewerben können. Dafür reichen die Bewerberinnen und Bewerber eine Skizze ein, die erläutert, mit welchen Methoden und Partnern die Fragen zum Projekt beantwortet werden sollen. Die eingereichten Skizzen werden wiederum von externen Gutachterinnen und Gutachtern aus Wissenschaft und Praxis sowie von Fachleuten der Geschäftsstelle BÖL und des Bundeslandwirtschaftsministeriums auf ihre Förderwürdigkeit geprüft.

"Die Geschäftsstelle BÖL erfüllt die Aufgabe der Identifikation von Forschungsthemen, der Begleitung und Förderung von Projekten inzwischen seit 20 Jahren. In dieser Zeit haben wir das Konzept immer weiterentwickelt", erklärt Dorothee Hahn. Dazu gehört etwa, die Laufzeit bestimmter Projekte zu verlängern. Denn die übliche Projektlaufzeit liegt in der Regel bei drei Jahren. Für Züchtungsprojekte oder aufwändige Projekte zur Optimierung der Düngung reicht diese Zeit meist nicht aus, um verwertbare Ergebnisse für die Praxis zu liefern.

Deshalb kann der Förderzeitraum verlängert werden. Bewährt hat sich eine Option auf Verlängerung um zwei Jahre nach Ablauf der üblichen dreijährigen Laufzeit, wie zum Beispiel bei Praxis-Forschungsnetzwerken. Ist für ein Projekt eine Verlängerung notwendig, um entscheidende Ergebnisse zu erzielen und/oder sind weitere wichtige Ergebnisse in Aussicht, kann es nach Prüfung verlängert werden.

Das Ziel: möglichst praxisnahe Ergebnisse

"Letztlich geht es immer darum, gute Ergebnisse zu erzielen", erklärt Dorothee Hahn. "Wenn sich Änderungen in Projekten abzeichnen, sind wir immer im Gespräch mit den Projektnehmerinnen und Projektnehmern und geben Hilfestellungen. Denn unsere Fachreferentinnen und -referenten begleiten jedes Projekt."

Ist ein Projekt abgeschlossen, fließen die Ergebnisse und daraus abgeleiteter weiterer Forschungsbedarf auf Ebene der Fachgespräche wieder in zukünftige Bekanntmachungen ein. "Das ist eine Art Kreislauf, in dem das erarbeitete Wissen immer erhalten bleibt und so eine stetige Weiterentwicklung der Projekte ermöglicht", sagt Dorothee Hahn.

Praxisnahe Ergebnisse sind das Ziel

Großen Wert legt die Geschäftsstelle BÖL bei der Umsetzung der Projekte auf möglichst praxisnahe Ergebnisse. Deshalb werden für komplexere Fragestellungen immer häufiger Forschungsnetzwerke mit Praxisbetrieben aufgebaut, wie zum Beispiel für das Projekt NUTRINET, in dem neue Ansätze zur Optimierung des Nährstoffmanagements im Öko-Landbau entwickelt werden. Dabei findet ein Großteil der Untersuchungen auf den Flächen der beteiligten Betriebe statt. Das hat den Vorteil, dass Praxis und Forschung eng zusammenarbeiten und die Betriebe ihre Erfahrungen und zum Teil auch eigene Fragestellungen einbringen können.

Inzwischen sind nahezu alle geförderten Forschungsprojekte interdisziplinär, das heißt, mehrere Einrichtungen und Institute mit unterschiedlichen Schwerpunkten arbeiten gemeinsam an einer Fragestellung. Dabei ist fast immer eine Praxis- oder Beratungsinstitution eingebunden wie etwa die Verbandsberatung. "So stellen wir sicher, dass auch im laufenden Projekt die Praxisperspektive eingebracht wird und die Ergebnisse breit kommuniziert werden", betont Dorothee Hahn.

Um auch in Zukunft die Einbindung der Praxis sicherzustellen, ist der Aufbau einer Plattform geplant, mit der sich forschungsinteressierte Betriebe mit praxisnah arbeitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vernetzen können. "Wir denken, dass dies ein weiterer Schritt ist, Forschung und Praxis näher zu bringen", meint Dorothee Hahn. "Denn eine solche Plattform würde die Konzeption von Forschungsvorhaben deutlich beschleunigen, die Praxisbeteiligung erleichtern und die Kommunikation zwischen Praxis und Wissenschaft weiter verbessern."



Letzte Aktualisierung 27.04.2023

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