Lebensmittelverschwendung mit KI vermeiden

Wie kann der Handel Lebensmittelverschwendung mit Hilfe von KI vermeiden?

Um Überproduktion zu vermeiden und den Warenausschuss zu verringern, setzen Bio-Handelsunternehmen beispielsweise an ihren Bäckerei-Theken auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Diese Techniken ermitteln Absatzprognosen und optimieren den Bestellvorgang, um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden.

Jahr für Jahr werden in Deutschland mehrere Millionen Tonnen Lebensmittel entlang der gesamten Versorgungskette entsorgt. Für das Jahr 2020 hat das Statistische Bundesamt Lebensmittelabfälle in Höhe von rund elf Millionen Tonnen an die EU-Kommission übermittelt. Der Großteil davon fällt bei den Haushalten zu Hause an, für den Handel wurden 800.000 Tonnen Lebensmittelabfälle ermittelt. Daten des Thünen-Instituts zufolge entfallen davon 290.000 Tonnen auf den klassischen Lebensmitteleinzelhandel (LEH) mit Supermärkten, Discountern und Verbrauchermärkten. Daneben fallen 210.000 Tonnen in Drogerien, Bäckereien, Fleischereien, dem Onlinehandel, auf Wochenmärkten, im Getränkehandel und an Tankstellen an.

Wodurch entstehen Lebensmittelabfälle?

Als Ursache für die Entstehung von Lebensmittelabfällen im LEH werden unter anderem Fehlkalkulation bei der Warenbestellung, Verderb, falsche Einstellungen an Kühl- und Tiefkühlgeräten, die zur Unterbrechung der Kühlketten führen, oder übrig gebliebene Saison- und Aktionsware genannt. Unterschiede zeigen sich auch zwischen den einzelnen Warengruppen. So sind die Verluste bei Obst und Gemüse sowie Brot und Backwaren, also leicht verderblichen Produkten, laut einer Analyse des Thünen-Instituts besonders hoch.

Dabei ist Lebensmittelverschwendung im LEH an vielen Stellen vermeidbar. Ziel der Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist es, die Lebensmittelabfälle in Deutschland bis zum Jahr 2030 zu halbieren. Mit konkreten Maßnahmen hierzu haben 14 Unternehmen des Groß- und Einzelhandels im Juni 2023 den "Pakt gegen Lebensmittelverschwendung" unterzeichnet.

Zu den fünf wichtigsten Maßnahmen zählen:

  • Verpflichtung auf konkrete Ziele: 30 Prozent weniger Lebensmittelabfälle bis 2025, 50 Prozent weniger Abfälle bis 2030,
  • Pflicht zur Weitergabe von abgeschriebenen, noch verzehrfähigen Lebensmitteln an soziale Einrichtungen wie Tafeln,
  • Anwendung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes: Lebensmittel, die nicht mehr für den menschlichen Verzehr geeignet sind, müssen einer möglichst hochwertigen Verarbeitung/Verwendung zugeführt werden (beispielsweise Tierfutter),
  • Reduzierung der Überschüsse an den Schnittstellen zwischen Ein- und Verkauf,
  • Transparente und verbindliche Umsetzung der Maßnahmen wird jährlich durch das Thünen-Institut überprüft.

Wie genau kommt Künstliche Intelligenz zum Einsatz?

Lebensmittelverschwendung im Handel kann auch durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) verringert werden. Zum einen kommen dabei KI-gestützte Prognoseverfahren zum Einsatz, die das Nachfrageverhalten seitens der Kundschaft analysieren und auswerten. Einflussfaktoren wie das Wetter, die Jahreszeit, Ferienzeiten, Feiertage oder historischen Absatzdaten fließen in die Prognose ein. Denn gerade diese Faktoren sind teils starken Schwankungen unterworfen und erschweren die Absatzplanung. Konkret könnte als Ergebnis einer solchen Datenanalyse ein Bestellvorschlag herausgegeben werden. Ziel solcher KI-Anwendungen ist die Vermeidung von Überproduktion. 

Künstliche Intelligenz

Eine allgemeingültige Definition von Künstlicher Intelligenz (KI) beziehungsweise Artificial Intelligence (AI) gibt es nicht, denn auch der Begriff der Intelligenz ist nicht eindeutig geklärt. Laut dem Fraunhofer Institut imitiert KI menschliche kognitive Fähigkeiten, indem sie Informationen aus Eingabedaten erkennt und sortiert. Diese Intelligenz kann auf programmierten Abläufen basieren oder durch maschinelles Lernen erzeugt werden. "KI ermöglicht es technischen Systemen, ihre Umwelt wahrzunehmen, mit dem Wahrgenommenen umzugehen und Probleme zu lösen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen", so das Europäische Parlament.

Zum anderen kann über KI-basierte Techniken eine dynamische Preisanpassung erfolgen, um Produkte mit einem kurzen Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) zeitig abzuverkaufen anstelle sie zu entsorgen. Hierzu wird beispielsweise das MHD eines Artikels in Relation zu den Absatzmengen sowie der prognostizierten Verkaufsmenge bis zum Ablauf des MHD ermittelt. Ein Algorithmus führt dann bei kurzer Haltbarkeit eine gestaffelte Preisreduktion durch und übermittelt diese an mobile Etikettendrucker oder elektronische Preisschilder. So sollen die Konsumentinnen und Konsumenten zum Kauf der preisreduzierten Ware animiert werden. Tests im Rahmen des REIF-Projekts sind bereits in drei Filialen von tegut bei den Warengruppen Molkereiprodukte, Fleisch und Fisch sowie Backwaren erfolgt. Ziel dieser KI-Anwendungen ist die Verringerung des qualitätsbedingten Warenausschusses.

Bestelloptimierung für die Bäckertheke

Start-ups wie FoodTracks, AIPERIA oder Foodforecast fokussieren sich unter anderem auf intelligente Bestellsysteme für Bäckereien. Backwaren gehören hinter Obst und Gemüse zu den am häufigsten weggeworfenen Lebensmitteln in Deutschland. Zudem sind Bäckereien, die Backshops in Supermärkten und Discountern beliefern, oft vertraglich verpflichtet, bis kurz vor Ladenschluss eine hohe Warenpräsenz zu zeigen. Um die Lebensmittelverschwendung einzudämmen, erfordert die Sortimentsgestaltung eine präzise Planung. Und genau an dieser Stelle kommen KI-Technologien zum Einsatz.

Die KI ermittelt präzise Absatzprognosen auf Basis von betriebsinternen und betriebsexternen Daten. So wissen die Betriebe genau, was verkauft wird und welche Mengen an Lebensmittel sie dementsprechend bestellen müssen. Dadurch wird weniger weggeworfen, und der Food Waste wird im Durchschnitt um 30 Prozent verringert,

fasst Sophie Knipp von Foodforecast zusammen. Je mehr Daten der KI-Software dabei zur Verfügung stehen, desto genauer wird die Prognose. 

Die SuperBioMarkt AG arbeitet seit kurzem mit FoodTracks zusammen, die Bio Company schon länger mit sehr zufriedenstellenden Ergebnissen, so Imke Sturm, Pressesprecherin der Bio Company:

FoodTracks ist ein Prozessoptimierungstool im Bestellwesen. Wir setzen es seit drei Jahren im Bereich Backwaren ein. Es hilft uns dabei, Abschriften zu reduzieren und die Warenverfügbarkeiten so zu optimieren, dass Kundinnen und Kunden letztlich auch die Ware im Markt vorfinden, die sie sich wünschen. Hier geht es zum einen um Kostensenkung, zum anderen um gezieltere Abverkäufe. Die App hat uns vieles vereinfacht, vor allem weil direkt über ein Tablet bestellt werden kann. Dieses können die Mitarbeitenden am Backstand bedienen. Signifikant ist, dass wir dadurch eine halbe bis dreiviertel Stunde Zeitersparnis im Bestellprozess haben, auch weil Bestellvorschläge automatisch erscheinen. So entstehen auch weniger Bestellfehler.


Letzte Aktualisierung 24.04.2024

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