KA.Wert: Bio-Wertschöpfungsketten in Karlsruhe

KA.Wert: Bio-Wertschöpfungsketten in Karlsruhe

Rund um Karlsruhe sollen Bio-Wertschöpfungsketten für Hülsenfrüchte, Gemüse und Kartoffeln auf- und ausgebaut werden. Dafür ist Sandra Schmidt vom Projekt "KA.Wert" ständig unterwegs und im Austausch mit landwirtschaftlichen Betrieben, Verarbeitungsunternehmen, dem Einzelhandel sowie der Außer-Haus-Verpflegung in der Region. Im Interview berichtet sie von den Erfolgen und Herausforderungen in der Projektarbeit.

Sandra Schmidt

Sandra Schmidt ist Diplom-Agrarbiologin und Nachhaltigkeitsmanagerin und baut seit Oktober 2022 in Karlsruhe die Wertschöpfungskette Gemüse und Kartoffel aus und die der Hülsenfrüchte neu auf. Im Gepäck hat sie Berufserfahrung im Lebensmittelhandel und viel Engagement, um eine nachhaltige Ernährung für alle möglich zu machen.

Oekolandbau.de: Um was geht es bei dem Projekt?

Sandra Schmidt: Wir wollen mit dem Projekt den Bio-Anteil von Gemüse und Kartoffeln in Karlsruhe erhöhen – vom Saatgut, über die Gastronomie bis zum Lebensmittelhandel. Darüber hinaus wollen wir Hülsenfrüchte wie Bohnen und Linsen auf die Äcker im Umkreis und anschließend in den Handel bringen. Das erhöht nicht nur die Lebensmittelsouveränität von Karlsruhe und ermöglicht eine gesunde Ernährung, sondern trägt auch einen wichtigen Anteil zur angestrebten Klimaneutralität bei.

Dem Team des Projektträgers Lobin Karlsruhe e.V. ist es ein Herzensanliegen, Menschen für nachhaltige Projekte zusammenzubringen und gemeinsam Lösungen systemisch zu entwickeln. Die Erfahrungen in der "Kulturküche", dem Leuchtturmprojekt des Vereins, haben gezeigt, dass der Bezug von bio-regionalen Lebensmitteln sehr schwierig ist, obwohl ziemlich viel vor der Haustüre wächst. So geht es auch anderen Gastro-Betrieben und verstärkt der Gemeinschaftsverpflegung. Und das möchten wir mit dem Projekt ändern!

Oekolandbau.de: Welche Ziele sollen erreicht werden?

Sandra Schmidt: Unsere Vision ist es, dass sich alle Karlsruherinnen und Karlsruher gemäß dem "Speiseplan der Zukunft" ernähren können. Vielfältiges Gemüse, Kartoffeln und Hülsenfrüchte wie Linsen, Kichererbsen und Bohnen in Bio-Qualität und aus unserer Region sind das Beste für uns und für unseren Planeten.

Deswegen möchten wir eine regionale Produktlinie mit getrockneten Hülsenfrüchten in den Handel bringen und den Bio-Anteil von Gemüse und Kartoffeln in der Außer-Haus-Verpflegung erhöhen. Das wollen wir unter anderem durch mindestens 20 Prozent neue Partnerbetriebe erreichen. Weitere Arbeitsziele sind die Transportwege zu verkürzen, den Verpackungsmüll zu reduzieren und weniger Lebensmittel zu verschwenden.

Oekolandbau.de: Was ist Ihre Aufgabe in dem Projekt?

Sandra Schmidt: Ich bündele aktuelle Informationen zu den Wertschöpfungsketten in unserer Region, erkenne Schwachstellen und entwickle mit den Kooperationspartnerinnen und -partnern Lösungsansätze. Da wir davon ausgehen, dass sich die potenziellen Akteurinnen und Akteuren kaum oder überhaupt nicht kennen, organisiere ich in unserem Projekt Veranstaltungen, Exkursionen und Arbeitskreise zur Vernetzung und Erhöhung der fachlichen Kompetenz. Dazu gehört vorab das Finden der Location, der Referierenden und die Erstellung der Einladungen. Nach der Veranstaltung gilt es einen Bericht für die Teilnehmenden und alle Interessierte zu schreiben und Themen für weitere Veranstaltungen oder Arbeitsgruppen zu finden.

Die Basis ist die Vernetzung mit relevanten Akteurinnen und Akteuren sowie anderen Netzwerken in der Region. Hier in Karlsruhe sind es die benachbarten Bio-Musterregionen Enzkreis und Mittelbaden+ oder auch das ÖkoNetzBW. Neu hinzugekommen ist LeguNet, die sich in Baden-Württemberg für den Anbau von Leguminosen einsetzen.

Um Landwirtinnen und Landwirte mit ins Boot zu holen, ist der direkte Kontakt, möglichst bei ihnen auf dem Betrieb, am sinnvollsten. Deshalb bin ich immer wieder unterwegs und versuche, für die Marktanalyse Daten zu bekommen und Themen aufzugreifen, die andere Stufen der Wertschöpfungskette interessieren. So hat mir ein Kaffeeröster erzählt, dass er gerne Lupinenkaffee anbieten würde. Von einer Landwirtin wusste ich, dass sie Süßlupinen für ihre Rinder anbaut. Dann galt es noch eine Möglichkeit für die Reinigung der Bohnen zu finden und der erste lokale Lupinenkaffee konnte verkostet werden!


Projektpartner von KA.Wert


Oekolandbau.de: Was sind die nächsten Schritte?

Sandra Schmidt: Die Marktanalyse hat ergeben, dass es insgesamt neun Bio-Gartenbau-Betriebe im Umkreis gibt. Ein weiterer Bioland-Betrieb mit Milchvieh und Sonderkulturen baut Hülsenfrüchte wie Linsen, Kichererbsen und – jetzt ganz neu – Bohnen an. Mit diesen Betrieben haben wir einen Saisonkalender erstellt. Dort ist das Sortiment, eine Standort-Karte und die Ansprechpartnerinnen und -partner verzeichnet. Der Saisonkalender ist ein gutes Werkzeug für Kantinen, Hotels und Restaurants und wird auf den nächsten Veranstaltungen fleißig verteilt.

Um vor allem den Kantinen küchenfertiges Gemüse anbieten zu können, wurde ein Arbeitskreis mit einer ortsansässigen Firma eingerichtet, die in ihr Sortiment Bio-Verbandsware aus der Region aufnehmen kann. Ich hoffe, dass wir es schaffen, in dieser Saison mit den ersten Salaten und Möhren zu starten.

Oekolandbau.de: Welche Erfahrungen konnten bereits gesammelt werden?

Sandra Schmidt: Der Saisonkalender und die Gespräche mit den Landwirtinnen und Landwirten, wie auch mit den verarbeitenden Betrieben, haben gezeigt, dass wir mit dem bereits angebotenen Sortiment und auch den Mengen, die dahinter stehen, viel in Karlsruhe und Umgebung bewirken könnten. Es gibt allerdings noch einige Hürden auf der Stufe der Verarbeitung vom Feld bis in die Verpackung zu lösen.

Zu den Hürden gehören bei Hülsenfrüchten die Suche nach

  • geeigneten Sorten,
  • ressourcenschonenden und bezahlbaren Erntemaschinen,
  • professionellen Aufbereitungsmöglichkeiten in der Nähe, auch für Kleinmengen, und
  • einer funktionierenden Logistik.

Bei Gemüse und Kartoffeln brauchen wir unbedingt ein küchenfertiges Sortiment, einen Bündler und gemeinsam aufgebaute Direktvermarktungs-Partnerschaften. Wenn wir das alles schaffen, können wir besser die Gemeinschaftsverpflegung und den Fachhandel erreichen.

Oekolandbau.de: Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Akteurinnen und Akteuren vor Ort?

Sandra Schmidt: Privat sind die meisten Angesprochenen gegenüber der bio-regionalen, fleischarmen Ausrichtung unserer Ernährung aufgeschlossen. Bei den Veranstaltungen sind die Teilnehmenden engagiert und bringen nach kleinen "Anschubsern" ihre Ideen ein. Allen landwirtschaftlichen Betrieben, die einem Bioverband angehören, ist bewusst, was sie alles für gesunde Lebensmittel leisten und welche positiven Auswirkungen ihre Anbaumethode auf den Boden, die Biodiversität, den Erhalt unserer Kulturlandschaft und den Klimawandel haben.

In der Außer-Haus-Verpflegung ist dieses Bewusstsein oft noch nicht angekommen. Lobin Karlsruhe e.V. ist es wichtig, dass sich alle Menschen gut und gesund ernähren können: in der Schule, im Krankenhaus, am Arbeitsplatz und in der Freizeit. Die größte Herausforderung ist es, das bei den Veranstaltungen erlangte Wissen im Arbeitsalltag umzusetzen.

Die aktuelle Stimmungslage in der Gastronomie mit Preis-Auflagen und extremen personellen Engpässen, wie auch die europaweiten Ausschreibungen ohne Regionalitätsbezug, machen es noch schwieriger. Caterer, die deutschlandweit Kantinen betreiben und Ware ausschließlich von Großhändlern beziehen, kommen als Projektpartner noch nicht in Frage.

Es gilt nun die Akteurinnen und Akteure herauszufiltern, die sich von all den Hemmnissen nicht entmutigen lassen und unsere Unterstützung und existierende Förderprogramme gerne annehmen. Dafür sind persönliche Gespräche äußerst wichtig, ergänzt mit Exkursionen zu Best-Practice-Beispielen. Es erfordert tatsächlich viel Ausdauer und ein stabiles Netzwerk, um Kraft zu schöpfen.

Projektinfos

Weitere Informationen rund um das Projekt finden Sie im Projektsteckbrief.

Das Projekt wird über die Förderrichtlinie RIWERT gefördert. Die Richtlinie ist eine Maßnahme des Bundesprogramms Ökologischer Landbau, initiiert und finanziert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.


Letzte Aktualisierung 07.05.2024

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