Frauen im Öko-Landbau

Frauen im Öko-Landbau – Was hat sich geändert?

Männer besitzen, Frauen arbeiten – eine plakative Beschreibung der Geschlechterverhältnisse weltweit, so auch in der Landwirtschaft! Gerade hier gelten nach wie vor traditionelle Vorstellungen von geschlechtsspezifischen Arbeitsbereichen und Rollenbildern. Dies geht aus der bundesweiten Studie "Die Lebenssituation von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben in ländlichen Regionen Deutschlands" hervor. Anlässlich des Internationalen Frauentags hat Oekolandbau.de Frauen aus dem BioFrauenNetzwerk gefragt: "Wie hat sich die Position der Frau im ökologischen Landbau verändert?"

Linda Kelly, "CeresAward"-Landwirtin des Jahres 2019

Linda Kelly ist Bio-Landwirtin und Unternehmerin aus Leidenschaft. Ihre ganz persönliche Leidenschaft gilt der Süßlupine, aus welcher sie viele verschiedene Lupinenprodukte herstellt und vermarktet. "Vom Acker auf den Teller" und regionale Wertschöpfungsketten sind ihr ein großes Anliegen.

Die Vielfalt und Diversität in der ökologischen Landwirtschaft bietet Frauen in der Landwirtschaft Möglichkeiten sich selbst zu verwirklichen und sich stark auf den Betrieben zu positionieren. Sie bauen neue Betriebszweige auf, welche zu ihrem Einkommen und ihrer Selbständigkeit beitragen und sind somit Vorbild-Unternehmerinnen für andere Frauen.

Sophie Löbbering, Moderatorin & Organisationsentwicklerin von iniciato

Als studierte Oekotrophologin und Nachhaltigkeitswissenschaftlerin fühlt sich Sophie Löbbering im Bereich der enkeltauglichen, resilienten und gerechten Ernährungsysteme zuhause. Sie will Teil der Veränderung sein, die wir so dringend zum Überleben brauchen. Sie hat drei Organisationen im Social Entrepreneur Bereich mitgegründet und ist seither sehr aktiver Teil dieser: Eine solidarische Landwirtschaft im Münsterland, eine sozial-ökologisch transformative Organisationsentwicklung und das CSX Netzwerk für gemeinschaftsgetragenes Wirtschaften.

Seit zehn Jahren bin ich in der Bio-Branche unterwegs: Angefangen mit einem Praktikum bei Naturland und als Ökolandbau-Trainee, gefolgt von einer Anstellung als Organisationsentwicklerin, über die Gründung einer Solawi bis hin zu Moderationstätigkeiten für iniciato. Und gefühlt hat sich nicht viel gerändert! An der einen oder anderen Stelle stehen heute Vorständinnen oder auch Unternehmerinnen an der Spitze einer Organisation. Dennoch sind Männer als Führungskräfte und patriarchalisch geprägte Strukturen die Norm. In der Landwirtschaft sind Frauen nach wie vor wichtige Arbeitskräfte mit gleichen Verantwortlichkeiten wie die männlichen Betriebsleiter, aber immer noch rechtlich benachteiligt, gar nicht bezahlt oder unterbezahlt und schlecht abgesichert.

Spätestens wenn wir Frauen Kinder bekommen und in die Elternzeit gehen, ist es mit der Vollzeitbeschäftigung vorbei und ab geht’s in Teilzeit und damit auf die Karrierebremse. Dennoch gibt es einige Leuchttürme in der Branche, die vieles versuchen, um Geschlechtergerechtigkeit herzustellen. Das sind die achtsamen männlichen Feministen, die sich ihrer Privilegien bewusst sind und diese nutzen, um das System zu verbessern. Danke an euch und an uns Frauen, die wir uns täglich frech und mutig für Veränderung einsetzen! Frei nach Astrid Lindgren:  "Lass dich nicht unterkriegen! Sei frech, wild und wunderbar!"

Dr. Susanne Padel, freiberuflich, ehemals Thünen Institut

Dr. Susanne Padel studierte Agrarwissenschaften und arbeitete im Anschluss zuerst mehrere Jahre als Beraterin für umstellungsinteressierte und ökologische Landwirtinnen und Landwirte. Als Wissenschaftlerin an der Universität Aberystwyth in Wales und beim Organic Research Centre in England war sie an vielen Projekten zum Öko-Landbau beteiligt, gefolgt von einer Mitarbeit am Thünen-Institut für Agrarökonomie an der Studie zur Lebenssituation von Frauen in der deutschen Landwirtschaft des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).

Ich arbeite schon viele Jahre mit dem Öko-Sektor, wenn auch lange im Ausland. Meiner Meinung nach hat sich das Bewusstsein in Sachen Position der Frauen in den letzten Jahren deutlich verbessert. Dazu haben sicherlich die vielen engagierten Frauen auf Betrieben, in Verarbeitung und Handel, in der Forschung und Beratung, in den Verbänden und auch das seit 2019 bestehende BioFrauenNetzwerk beigetragen. Trotzdem bleibt Geschlechtergerechtigkeit weiterhin eine Herausforderung, auch für die Öko-Branche. Es gibt noch viel zu tun.

BioFrauenNetzwerk

Das BioFrauenNetzwerk versteht sich als offenes Netzwerk mit dem Ziel, die Rolle und Beteiligung von Frauen in der Biobranche zu stärken. Zu den bisherigen Aktivitäten gehören regelmäßige Einladungen zu Netzwerktreffen auf der Biofach, den Ökofeldtagen und der Ökomarketing-Tagung sowie ein Verteiler von 260 Frauen, die über die Aktivitäten informiert werden.

Stephanie Strotdrees, Bioland-Hof Strotdrees

Stephanie Strotdrees ist staatlich geprüfte Landwirtin und Mutter von sechs Kindern. Seit 34 Jahren führt sie zusammen mit ihrem Mann den Bioland-Hof Strotdrees mit vielseitiger Tierhaltung und Direktvermarktung. Seit 1993 ist sie im Bioland Verband ehrenamtlich engagiert und war zwischen 2011 und 2021 dessen Vizepräsidentin.

In den landwirtschaftlichen Unternehmen waren und sind die Frauen oft die Initiatorinnen, den Betrieb auf die biologische Wirtschaftsweise umzustellen oder andere neue Wege zu gehen. Doch an der klassischen Rollenverteilung ändert sich nur sehr langsam etwas. Auf unseren landwirtschaftlichen Betrieben liegen Care-Aufgaben – von Kinderversorgung über Altenpflege, bis zur Mitarbeiterfürsorge – weiterhin in der Verantwortung von Frauen. Die originären landwirtschaftlichen Arbeiten im Außenbereich und Maschinentätigkeiten bleiben fest in Männerhand. Ein bisschen sarkastisch wage ich die Beobachtung aufzustellen: Haben sich Frauen meiner Generation mit der Direktvermarktung ein eigenes Standbein aufgebaut, so machen es die jungen Frauen heute über Marketing-Aktivitäten und Social Media-Arbeit.

Den weiblichen Part in der ehrenamtlichen Verbandsarbeit auszufüllen, bleibt eine Herausforderung. So lösen sich Frauen schwerer von ihren Pflichten und nehmen kaum außer Haus an Veranstaltungen teil. Oder sind unsere Strukturen so sehr von Männern geprägt, dass Frauen dort nicht hineinfinden? Tatsache ist, wir Frauen sind auch im Biolandbau in ehrenamtlichen Funktionen deutlich unterrepräsentiert. Es sind so tolle Frauen auf unseren Bio-Höfen, die eine Menge schaffen und große Wertschätzung genießen, wir müssen sichtbar und hörbar werden!

Wie viel Prozent der Betriebsleitungen im Jahr 2020 waren Frauen?

Der Anteil der Frauen in der Betriebsleitung lag im ökologischen Landbau bei 13 Prozent und in der konventionellen Landwirtschaft bei 11 Prozent.

Quelle: Statistisches Bundesamt

Brigitte Szezinski, Bioberatung

Brigitte Szezinski berät seit 2010 als selbstständige Beraterin und Coachin Unternehmen, Teams und Einzelpersonen mit Schwerpunkt in der Bio-Branche. Zuvor war die Diplom-Agraringenieurin über 10 Jahre Geschäftsführerin des Demeter Verbandes in Bayern.

1998 trat ich die Stelle als Geschäftsführerin von Demeter Bayern an und war damals die einzige Frau in dieser Position, sowohl bei Demeter bundesweit als auch in Bayern unter allen Bio-Verbänden. Das hat sich geändert. Ich durfte mir damals im Kreis von Bio-Vorständen noch anhören, dass Frauen für die Öko-Lobbyarbeit in Bayern nicht geeignet seien. Heute ist die Geschäftsführerin der LVÖ in Bayern eine Frau.

Judith Treis, Biohof Rühlengut

Judith Treis hat Landwirtin gelernt, in Witzenhausen Agrarwissenschaften studiert und arbeitet seit über 30 Jahren in der Bio-Landwirtschaft. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie seinen elterlichen Betrieb wiedereingerichtet und auf Bio umgestellt.

Die Position der Frauen in der Bio-Landwirtschaft hat sich in den letzten Jahren nicht verändert. Es bleibt eine harte Männerdomäne und Frauen sind unverändert überwiegend unsichtbar bzw. im Hintergrund. Was sich verändert hat, ist das Bewusstsein bei vielen Frauen und einzelner Männern, dass sich etwas ändern muss! Und das ist schonmal der erste Schritt. Der Weg bis zur realen Egalität der Geschlechter in der Bio-Landwirtschaft erscheint mir unendlich beschwerlich und lang. Frau könnte den Mut verlieren. Aber nein! In der Gegenwart gestalten wir die Zukunft für unsere nachfolgende Generation. Wunderbar, dass es das BioFrauenNetzwerk gibt, da kämpfe ich nicht allein…

Jana Werner, Referentin Agrarpolitik bei Biokreis e.V.

Jana Werner ist 2023 mit der gesamten Familie ins Brandenburger Hinterland gezogen und hat mit ihrem Mann eine Bio-Baumschule gegründet, um endlich praktischen Klimaschutz zu betreiben. Als Diplom-Kauffrau ist sie seit 15 Jahren im Bio-Bereich tätig – hauptsächlich im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Politik, davon acht Jahre beim Anbauverband Biokreis.

Ich war acht Jahre in verantwortungsvoller Position beim Biokreis, saß selbst auch vier Jahre im Beirat des Bundesvorstands, jedoch muss ich sagen, dass sich an den Machtstrukturen und Verantwortlichkeiten wenig geändert hat. Frauen sind in den Bio-Verbänden immer noch sträflich unterrepräsentiert, obwohl sie oft einen langfristigeren, umfassenderen Blick auf Entscheidungen und deren Implikationen haben. Es wird Zeit, dass auch im Tagesgeschäft und in der internen Organisation mehr darauf geachtet wird, dass Frauen das Rückgrat bilden und dass deshalb flexiblere Homeofficeregelungen gelten und keine Sitzungen nach 16 Uhr mehr stattfinden.

Gerade in Bio-Verbänden, die vielfach auf das ehrenamtliche Engagement der Mitglieder angewiesen sind, wird deutlich, dass die Leitung der landwirtschaftlichen Betriebe oft den Männern obliegt und meist auch Söhne als Nachfolger gewählt werden, sofern die Familie nicht nur Töchter hat. Diese sind es oft auch, die dann die Ehrenämter wahrnehmen. Meinen Erfahrungen zufolge sind Diskussionen im Vorstand wertschätzender und konstruktiver, sobald mindestens eine Frau mit Stimmrecht anwesend ist. In den NGOs und im Verbandswesen mangelt es leider immer noch an Frauen in Führungspositionen. Das liegt zum einen an den Frauen selbst, die weniger selbstsicher sind und natürlich auch an den internen Strukturen, die eine Mitarbeit verunmöglichen, zum Beispiel Vorstandssitzungen am Freitagabend oder am Wochenende.


Film ab: Pionierinnen des ökologischen Landbaus

Das "sozial strukturierte vergessen" nach Mary Douglas erklärt wie Pionierinnen des Öko-Landbaus nach und nach aus den Aufzeichnungen der Geschichte zum Öko-Landbau verschwunden sind. In ihrem Buch Passion und Profession – Pionierinnen des ökologischen Landbaus sind Heide Inhetveen, Mathilde Schmitt, Ira Spieker des Oekom-Verlags den "vergessenen Frauen" des Öko-Landbaus auf die Spur gekommen. Agrar- und Sozialwissenschaftlerin Mathilde Schmitt stellt im Film des FiBL beispielhaft einige dieser Pionierinnen des Öko-Landbaus vor.


Letzte Aktualisierung 08.03.2024

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