Die nächste Generation: Wie die Übergabe eines Bio-Unternehmens gelingen kann

Die nächste Generation: Wie die Übergabe eines Bio-Unternehmens gelingen kann

Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) suchen jährlich rund 30.000 wirtschaftlich gut laufene Unternehmen eine Nachfolgerin beziehungsweise einen Nachfolger. Neben dem Erbschaftssteuerrecht, der Digitalisierung und dem Fachkräftemangel halten emotionale Schwierigkeiten von Seiten der Seniorin oder des Seniors oftmals eine Übergabe auf. Doch nicht nur das. Auch die Corona-Pandemie zeigt deutliche Auswirkungen auf die Unternehmensnachfolge. So schieben laut des DIHK-Reports Unternehmensnachfolge 2020 Senior-Chefinnen und -Chefs ihre Entschiedungen zur Übergabe des Betriebs auf, da die Existenzsicherung Vorrang hat.

Aus klein mach groß

In der Bio-Branche ist der Generationenwechsel seit einigen Jahren stark spürbar. Die Branche war von Anfang an geprägt durch eine hohe Zahl an familiengeführten Unternehmen. Aus diesen Pionierbetrieben sind mit der Zeit Unternehmen mit teils mehreren hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geworden. Daher ist die strategische Ausrichtung der Firma ist für die Nachfolgerinnen und Nachfolger wichtiger denn je. Ganzheitliches Denken, Kreislaufwirtschaft und ideelle Werte, die Bio-Unternehmen häufig auszeichnen, sollten in einem sich differenzierenden Markt erhalten werden können. Der Nachfolgeprozess ist dadurch mit einem hohen Grad an Emotionalität verbunden.

Es gibt vieles zu beachten

In einem Nachfolgeprozess sind betriebswirtschaftliche, rechtliche, steuerliche und finanzielle Entscheidungen zu treffen. Diese werden durch familiäre oder andere persönliche Befindlichkeiten vorangebracht oder gehemmt. Offene und klare Kommunikation ist daher wichtig. Der Prozess kann in drei Phasen unterteilt werden: die Vorbereitung, die Übergabe und die Übernahme.

1. Die Vorbereitung: Unternehmensanalyse und Nachfolgesuche

Um die Nachfolge vorzubereiten sollte die oder der Übergebende Eckpunkte zum Betrieb zusammenstellen. Zum Beispiel welche Produkte verarbeitet werden, ob das Unternehmen in einer ländlichen oder städtischen Region ansässig ist, Rohstoffe und Produkte global oder lokal handelt, wie seine Vermarktungswege sind, und vieles mehr. Die mit dem Betrieb verbundenen Wertevorstellungen sind für viele vor allem entscheidend.

Die Frage nach dem „wer will?“

Bei der Kandidatensuche wird zunächst oft gefragt, ob sich jemand innerhalb der Familie eignet und Interesse hat. Sollte dem nicht so sein, wird gern aus dem Kreis der Führungskräfte, Gesellschafterinnen und Gesellschafter und anderer Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner gesucht. Bei vielen familiengeführten Bio-Unternehmen sind die Kinder häufig mit dem Betrieb der Eltern oder Verwandten aufgewachsen, so dass eine Nachfolge im Familienkreis naheliegt. 

Der oder die Übernehmende sollte sich vorab einige Fragen stellen. Diese haben die die Jungunternehmerinnen und -unternehmer der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL) in einem Leitfaden zusammengefasst:

  • Warum interessiere ich mich für den Betrieb?
  • Vertrete ich die ökologischen Werte, für die das Unternehmen steht?
  • Möchte ich meinen eigenen Fußabdruck hinterlassen?
  • Besitze ich eine Leidenschaft für Bio? Habe ich eine Vorstellung, was Bio für mich bedeutet?
  • Was muss mir wichtig sein, um mich in der Branche zu positionieren?
  • Bin ich als Person nachhaltig?
  • Brenne ich für dieses Themengebiet?
  • Übernehme ich Verantwortung für die Wertschöpfungskette?

Darüber hinaus stehen Fragen nach der eigenen Führungskompetenz, Entscheidungsfreude, Visionskraft und kaufmännischen Kenntnissen im Raum.

2. Die Übergabe: Juristische Eckpunkte und Finanzrahmen

Ist eine Kandidatin oder ein Kandidat gefunden, stehen finanzielle und juristische Fragen im Raum. Gerade im Falle einer familieninternen Nachfolge sollten die erbschaftssteuerlichen Belastungen und Konsequenzen aus dem Erb- und Familienrecht geklärt werden. Ebenso steht im Raum, ob weitere Familienmitglieder im Unternehmen aktiv oder passiv beteiligt sein wollen. In diesem Zusammenhang ist auch die künftige Unternehmensform festzulegen. Wenn Geschwistern in den Betrieb einsteigen, kann eine Stiftung sinnvoll sein.

Bei Verhandlungen und Gesprächen mit den Abgebenden kann eine Absichtserklärung helfen, den Verhandlungsstand festzuhalten. Zudem kann eine externe Beratung dabei unterstützen, den Prozess zielführend zu gestalten. Mit Hilfe von Rechtsanwalt und Notar sollten die finanziellen Fragen geklärt werden und festgelegt werden, ob ein Kauf, eine Schenkung oder Pacht infrage kommt.

3. Die Übernahme durch die Nachfolgerinnen und Nachfolger

Nach einer Phase der Einarbeitung, der Kommunikation an die Mitarbeitenden, Kundschaft und Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner beginnt nun die neue Steuerung des Unternehmens durch die Nachfolgenden. Dies beinhaltet die Führung, Zukunftsvisionen und Entscheidungen über Prozesse, Angebote, Märkte, Investitionen etc. In der Bio-Branche ist dieser Prozess besonders herausfordernd, da der Bio-Markt extrem dynamisch ist. So muss geklärt werden, welche Rolle der Verarbeitungsbetrieb in diesem Prozess einnimmt: wird er Bio-Lebensmittel weiter in die Breite bringen oder an Qualität und Vertiefung des Bio-Gedankens arbeiten? Die Antwort muss jedes Unternehmen und jede Nachfolgerin und jeder Nachfolger für sich finden.

Ein Praxisbeispiel

Arlend Huober leitet seit gut einem Jahr das Traditionsunternehmen "Huober Brezel", das Vater Karl in ein Bio-Unternehmen umstellte. Seine Nachfolge ist, auch durch den Tod seines Vaters im Mai 2019, nun abgeschlossen.

Herr Huober, Sie sind nun in der Geschäftsleitung des Unternehmens "Huober Brezel", ihr Bruder Johannes führt "Erdmannhauser". War das von langer Hand geplant?

Nein, das war es nicht. Im Gegenteil: ich habe persönlich die Erfahrung gemacht, dass es wichtig ist, als heranwachsender Mensch den eigenen Lebensfragen nachgehen zu dürfen. Meine Eltern wussten darum und nahmen auf meine berufliche Entscheidungsfindung keinen direkten Einfluss. Sie wussten auch, dass Druck im Hinblick auf einen Unternehmenseinstieg bei mir genau das Gegenteil bewirkt hätte. In meinem Fall führte mich mein Lebensweg in die sozialpädagogische Arbeit und die Begründung meiner beruflichen Selbstständigkeit als Trainer und Dozent.

Dieser selbstgewählte Weg und der damit einhergehende Abstand zum Familienunternehmen ließen mich heranreifen und veränderten so auch die Qualität der Beziehung zu meinen Eltern, speziell die zu meinem Vater. Als dann mein Lebensweg, nach über zehn Jahren, ungezwungen ins Unternehmen mündete, konnten wir auf eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen. Dieses Vertrauen stärkte mich ganz wesentlich in der Ergreifung meiner verantwortungsvollen Aufgabe, die ich nun innehabe.


Film ab: Bio-Pioniere erzählen


Letzte Aktualisierung 30.03.2022

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