Enzyme in Bio-Backwaren

Geht’s auch ohne? Enzyme in der Bio-Backwarenherstellung

Bei der Herstellung von Bio-Backwaren dürfen auch technische Enzyme eingesetzt werden. Viele Bio-Bäckerinnen und -Bäcker lehnen den Einsatz jedoch ab. Innovative Technologien und Rezepturen bieten solchen Bäckereien Möglichkeiten, sich von den industriellen Backwaren abzuheben.

Der Einsatz von technischen Enzymen bei Bio-Backwaren ist keine Seltenheit, insbesondere bei Weizenkleingebäck, die über Gärunterbrecher hergestellt werden. Dennoch gibt es viele Fragen rund um die Enzyme: Wo kommen sie her? Wie wirken sie? Und wie sieht es mit den rechtlichen Bestimmungen aus? Die Kernfrage aber ist: Geht es eigentlich auch ohne?

Grundlagen der Enzyme – Einsatz und Wirkungsweise

Enzyme sind Proteine, die als biologische Katalysatoren (Beschleuniger) wirken. Sie modifizieren Substrate oder beschleunigen Reaktionen. Dabei wirken sie sehr spezifisch:

  • Wirkungsspezifität - nur bestimmte Reaktionen werden beschleunigt
  • Substratspezifität - nur ein bestimmtes Substrat kann modifiziert werden
  • Gruppenspezifität - Wirkung nur bei bestimmten Molekülgruppen
  • Stereospezifität - Wirkung nur, wenn ein bestimmtes Gegenstück vorhanden ist

Enzyme arbeiten schnell und werden bei der Reaktion nicht verbraucht. Um bestmöglich wirken zu können, braucht jedes Enzym seine eigene optimale Temperatur und pH-Wert. Die Aktivität hängt zudem von der Herkunft und von der Umgebung, in der das Enzym wirken soll, ab.

Selbstverständlich hat man beim Backen schon immer mit "natürlichen" Enzymen gearbeitet und zwar mit solchen, die bereits im Rohstoff vorhanden sind oder durch besondere Behandlung, beispielsweise Keimung oder Fermentation in Zutaten induziert werden. Also zum Beispiel Malz. Hier spricht man von endogenen Enzymen. Exogene (kommerzielle) Enzyme sind hingegen Präparate, die dem Lebensmittel zur Erzielung bestimmter (technologischer, ernährungsphysiologischer) Effekte zugesetzt werden.

Gängige Enzyme in der Bäckerei sind beispielsweise:

  • Amylasen zum Beispiel für das Gebäckvolumen
  • Xylanasen zum Beispiel zur Verbesserung der Maschinengängigkeit
  • Lipasen zum Beispiel für höhere Teigstabilität
  • Proteasen zum Beispiel für verbesserte Wasseraufnahme
  • Glucose-Oxidase zum Beispiel für festere Teige

Technische Enzyme im Lebensmittelrecht

Nach der Verordnung (EG) Nr. 1332/2008 des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelenzyme ist ein Lebensmittelenzym unter anderem ein Erzeugnis, das aus Pflanzen, Tieren oder Mikroorganismen gewonnen wird und die Fähigkeit besitzt, eine spezifische biochemische Reaktion zu katalysieren und einem Lebensmittel zugesetzt wird, um bei Lebensmitteln einen technologischen Zweck zu erfüllen. Ziel ist es, dass nur Lebensmittelenzyme in Verkehr gebracht oder in Lebensmitteln eingesetzt werden, die in einer Positivliste aufgeführt werden. Den aktuellen Stand der Sicherheitsbewertung der Enzyme findet sich bei der EFSA.

Bei der Kennzeichnung von Lebensmittelenzymen greift die Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) – Verordnung (EU)  Nr. 1169/2011. Nach dieser müssen in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils alle verwendeten Zutaten angegeben werden. Kennzeichnungsausnahmen gelten für Lebensmittelzusatzstoffe und Lebensmittelenzyme, wenn sie im Enderzeugnis keine technologische Wirkung mehr haben oder "Carry over"-Enzyme, die als Verarbeitungshilfsstoffe verwendet werden. Die meisten Enzyme werden als technologische Hilfsmittel eingestuft. Das bedeutet, dass Enzyme im Zutatenverzeichnis selten zu finden sind.

Enzymeinsatz gemäß Bio-Recht

Grundsätzlich soll nach den EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau die Verwendung von Zusatzstoffen und Verarbeitungshilfsstoffen auf ein Minimum beschränkt werden. Verboten sind alle Stoffe, die aus oder durch gentechnisch veränderte Organismen (GVO) hergestellt wurden, und es dürfen auch nur die eingesetzt werden, die in den Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau aufgeführt sind. Lebensmittelenzyme werden jedoch sehr häufig gentechnisch verändert hergestellt. So ist es für Bio-Bäckereien besonders wichtig, verlässliche Hersteller zu finden, die Enzyme liefern, die nicht aus oder durch GVO hergestellt werden.

Und wie geht es ohne?

Insbesondere Bio-Bäckerinnen und -bäcker haben den Anspruch, traditionell und ohne unnötige Hilfsstoffe zu backen, aber doch ein optimales Backergebnis zu erreichen. Produkte, die über Gärunterbrechung hergestellt werden, werden sich immer von Produkten, die mit technischen Enzymen hergestellt wurden, unterscheiden. Das heißt, es gibt zwar zahlreiche alternative Wege ein Produkt herzustellen, aber keinen 1:1-Ersatz. Eine Möglichkeit ist, eigenständige Produkttypen zu schaffen oder auf bestimmte Teig- beziehungsweise Produkteigenschaften zu verzichten. Beispielsweise wird in Kauf genommen, dass die Brötchen kleiner sind. Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz von Bio-Rohwaren mit optimierten funktionellen Eigenschaften. So kann über die Mehlqualität einiges erreicht werden. Dazu ist eine enge Zusammenarbeit mit Mühlen ratsam. Für optimale Backergebnisse eignen sich auch Enzyme "natürlicher" Herkunft. Zum Beispiel enthalten in Malzmehl und Weinhefe. Auch technologische Lösungen wie eine Optimierung der Bedampfung in Gärräumen oder Langzeitführungen können unterstützend wirken.

Die Bio-Bäckerei kann mit innovativen Rezepturen ihre Kreativität und Fachkunde verdeutlichen und den Einsatz von technischen Enzymen vermeiden. Dabei spielt die Kundenkommunikation eine große Rolle, um aufzuklären, warum das Brötchen zum Beispiel eine andere Charakteristik hat als vergleichbare konventionelle Erzeugnisse. Gelingt es der Bäckerin oder dem Bäcker zu verdeutlichen, warum er oder sie sich gegen den Einsatz von technischen Enzymen und somit für ein noch natürlicheres Produkt entschieden hat, ist dies eine Chance, sich von der industriellen Backwarenherstellung abzuheben.


Letzte Aktualisierung 18.05.2022

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