Lebensmittel aus Insekten

Fehlende Öko-Richtlinien hemmen die Bio-Verarbeitung von Insekten

Ausgehend von Futtermitteln für die Aquakultur hat Naturland als erster Bio-Verband Bio-Richtlinien zur Insektenzucht entwickelt. Naturland ist auch der einzige Verband, von dem sich Insktenprodukte in Bio-Qualität auf dem deutschen Markt finden.Seit Mai 2018 ist die Insektenverarbeitung in der EU in der Novel Food Verordnung geregelt und Insekten entsprechend als Lebensmittel anerkannt. Somit gibt es bei EntoSus in Bremen die erste Bio-Grillenzucht in Deutschland. Bei konventioneller Insektenverarbeitung sind in Europa insbesondere die Niederländer mit der Firma Protix Vorreiter.

Bisher werden Insekten für die menschliche Ernährung meistens aus Kanada, den USA oder Südostasien importiert. Diese langen Transportwege möchten deutsche und europäische Insektenfarmen zu vermeiden. Insekten können die Reste von Bio-Mühlen oder Bio-Supermärkten essen. Die Reststoffe aus der Farm können als als Dünger in die Landwirtschaft zurückgehen.

Erste Riegel in Bio-Qualität in Deutschland

Das Berliner Start-up "Bearprotein" hat Mitte 2018 einen Bio-Insektenriegel auf den deutschen Markt gebracht, zunächst in den Filialen von basic und Bio Company. Inzwischen wird der Riegel bei verschiedenen Bio-Großhändlern erhältlich. Der Riegel besteht zum Großteil aus dem Mehl biologisch gezüchteter Grillen. Nach Unternehmensangaben kann sich Bearprotein vor Anfragen nach dem Bio-Insektenriegel kaum retten. Weitere Geschmacksrichtungen sind vorgesehen.

Schweiz entwickelte eigene Richtlinien

In der Schweiz widmet sich ein junges Start-up-Unternehmen der Herstellung und Verbreitung von Bio-Insekten in Form von Riegeln und Burgern. Die Essento Insektenspezialitäten gibt es nach Unternehmensangaben seit 2017 in Schweizer Supermärkten, bei ausgewählten Einzelhändlerinnen und Einzelhändlern und Restaurants. Hauptzutat ist der Mehlwurm. Dieser stammt aus der Bio-Insektenzucht Ensectable in Endingen in der Schweiz. Die Insektenprodukte sind Bio Suisse-zertifiziert. Seit Anfang 2019 sind die Verbandsrichtlinien für die ökologische Insektenproduktion in Kraft getreten. Demnach sind nur Insektenarten gemäß Verordnung des Eidgenössisches Departement des Innern (EDI) über neuartige Lebensmittel zum menschlichen Verzehr zugelassen.

Das Schweizer Unternehmen Essento hat auch Bio-Insektenburger und "Bio-Insektenballs" auf den Markt gebracht. Die Insekten werden in der hauseigenen Manufaktur in Zürich zu Bio-Burger Patty und Bio Insect Balls verarbeitet. Das Unternehmen bietet auch Produkte mit ganzen Insekten als Snacks an.

Auch EntoSus bietet ganze gegrillte Grillen in verschiedenen Geschmacksrichtungen an. Diese sind im Naturkosthandel erhältlich.

Kanada ist schon weiter

In Kanada, wo die Insektenriegel von dem deutschen Start-up Bearprotein ihren Ursprung haben, ist die Vielfalt an Insektenprodukten für den menschlichen Verzehr groß. Bei "Entomofarms" finden sich auf der Homepage viele Rezepte und Anregungen von süßen Ingwerplätzchen mit Grille bis hin zu deftigen Gerichten mit geschärften Grillen. Das Unternehmen ist bio-zertifiziert und züchtet auf 20.000 Quadratmetern Bio-Insekten. Entomofarms züchtet die Grillen in der freilaufenden Zucht. Die Tiere leben in einer geschlossenen Halle und können sich frei im Raum bewegen.

Konventionelle Betriebe machen den Anfang


Auf der Suche nach alternativen Proteinquellen gibt es in Deutschland einige Unternehmen, die Insekten konventionell züchten und verarbeiten. Immer mehr Produkte auch für die menschliche Ernährung finden sich im Handel. So gibt es Insektennudeln, wo beispielsweise das Weizenmehl durch Insektenmehl ersetzt wird. Seit 2019 gibt es auch bei der Drogeriemarktkette dm Insektennudeln – allerdings nur im Online-Shop. Hergestellt wird die Pasta vom Unternehmen "Plumento Foods", das neben Nudeln auch Kekse, Granola und Croutons aus Insektenmehl produziert. Die Buffalowürmer für die dm-Insektenpasta werden in den Niederlanden gezüchtet.

Auch Insektenburger sind keine Unbekannten mehr und haben zum Beispiel über die Burgergrillkette Hans im Glück deutschlandweit eine Verbreitung gefunden. Nur besteht der Burger nicht aus Bio-Insekten. Der Hersteller Bugfoundation liefert den Bratling an die Burgerkette und berichtet zunehmend von einer Kundennachfrage, die die Burgereinlage auch in Bioqualität wünschen.

Einheitliche Regelungen fehlen: Interview mit Florian Berendt

Ein Experte für die Verwendung von Insekten als alternative Proteinquelle ist der selbstständige Unternehmer Florian Berendt von EntoSus. Er vermutet in Deutschland auch für die ökologische Insektenverarbeitung ein großes Potenzial. Nach seiner Einschätzung dürften die Insekten überwiegend in der Tierernährung als Proteinquelle ein Wachstumsmarkt sein. Gerade die ökologische Verarbeitung von Bio-Insekten ist seiner Meinung nach ideal, um den Kreislaufgedanken konsequent umzusetzen. Oekolandbau.de hat ein Interview mit Berendt geführt.

Oekolandbau.de: Welche Gründe sprechen für die Verwendung von Insekten?

Berendt: Es gibt viele Gründe, die für eine Verwendung von Insekten sowohl in der Tierernährung als auch in der Humanernährung sprechen. In der Tierernährung spielt vor allem die Versorgung mit hochwertigen Proteinen eine wichtige Rolle. Insekten können unabhängig von landwirtschaftlichen Nutzflächen produziert werden. Sie bieten in der Tierernährung eine sehr gute Alternative zu Soja und Fischmehl, beides weitestgehend keine Futtermittel, die mit Nachhaltigkeit glänzen.

In der Tierernährung bieten sich Möglichkeiten, endlich auf konventionell produzierte Aminosäuren zu verzichten. Des Weiteren können Insekten für die Fütterung auf organischen Nebenprodukten aus der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft wie Mist oder Absortierungen von Obst und Gemüse gezüchtet werden. Davon fallen allein in Deutschland jährlich insgesamt 92 Millionen Tonnen an.

Aber auch in der Humanernährung werden Insekten zukünftig eine immer größere Rolle spielen. Was in anderen Kulturen völlig normal ist, gewinnt nun auch, vor allem aus dem Aspekt der Nachhaltigkeit, in unserer westlichen Gesellschaft wieder mehr an Bedeutung. Auch hier als Proteinlieferant oder als Ersatzprodukt zu "normalen" Fleischprodukten. So können durch den direkten Verzehr zum Beispiel eines Burgers aus Grillen anstatt aus Rindfleisch große Mengen an CO2, Wasser, Futtermitteln und Land eingespart werden.

Oekolandbau.de: Warum gibt es in Deutschland keine Bio-Verarbeiter von Insekten für den tierischen und menschlichen Speiseplan? Welche Bedingungen müssten erfüllt sein, damit sich Verarbeitungsunternehmen auf dieses neue Terrain auch im Bio-Bereich wagen?

Berendt: Das größte Problem ist, dass es noch keine einheitliche Regelung zur ökologischen Erzeugung und Verarbeitung von Insekten gibt. Die Europäische Kommission hat Anfang des Jahres 2019 angefangen, erste Regelungen zu entwerfen und diese auch mit den entsprechenden Interessensverbänden zu teilen und zu besprechen. Leider ist diese Regelung nun erst einmal wieder vom Tisch, da die EU-Verordnung für den Ökolandbau keine Vorschriften zur Insektenverarbeitung kennt.

Naturland hat 2019 eigene Standards entwickelt, um eine Verwendung in der nachhaltigen Fütterung für die Aquakultur zu ermöglichen. Inwieweit dies aber bio-zertifizierten Unternehmen nützt, ist fraglich, da es kein offiziell im Bio-Anbau zugelassenes Futtermittel ist. Jedoch wird erkennbar, dass hier viel passiert. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis es einheitliche Regelungen zur Fütterung gibt und dann wird auch einer Aufnahme der Insektenproduktion und Verarbeitung in die Öko-Verordnung nichts mehr im Wege stehen.

Oekolandbau.de: Sind Lebensmittel aus Bio-Insekten ein wachsender Markt oder tun sich die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher schwer damit, Insekten zu essen? Wo sehen Sie die größten Potenziale für die Bio-Verarbeitung von Insekten?

Berendt: Ich persönlich sehe vor allem kurz- und mittelfristig das größte Potenzial in der Produktion als Futtermittel. Aber auch beim menschlichen Verzehr sieht man immer mehr, dass ein Umdenken stattfindet. Und so denke ich, dass es für nachfolgende Generationen völlig normal sein wird, Insektenprodukte zu verzehren. Das beste Beispiel, für einen solchen Wandel in der Akzeptanz, ist Sushi. Vor einigen Jahren konnte sich kaum einer vorstellen, rohen Fisch zu essen, heute völlig normal.

Insekten als Nahrung bieten viel Potenzial

Einige Länder haben schon Wege aufgezeigt, wie die Bio-Verarbeitung von Insekten erfolgreich funktionieren kann. Gemeinsam ist den Unternehmensgründerinnen und -gründern der Innovationsgeist und die Freude an dem Rohstoff Insekten. Voraussetzung zur Umsetzung und der kompletten Bio-Erzeugung von der Zucht über die Verarbeitung bis hin zum Endprodukt im Land sind aber klare EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau.


Letzte Aktualisierung 14.12.2021

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