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Welches Potenzial hat die ökologische Ebermast?

Mehr als 80 Vertreterinnen und Vertreter aus Beratung, Wissenschaft und Praxis diskutierten auf einer Online-Tagung über Chancen und Herausforderungen der ökologischen Ebermast. Die Teilnehmenden stellten eine Vielzahl unterschiedlicher Studienergebnisse zu dem Thema vor.

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Die Mast von Ebern gilt gerade im ökologischen Landbau als interessante Alternative zur betäubungslosen Kastration. Allerdings bildet ein kleiner Teil der nicht kastrierten Eber die Stoffe Skatol und Androstenon aus, die sich vor allem im Fettgewebe anreichern und das Fleisch für einen Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher ungenießbar machen. Zudem wird die Ebermast unter Tierwohlaspekten kritisch gesehen, da nicht kastrierte Tiere als aggressiver gelten und es durch Auseinandersetzungen häufiger zu Verletzungen kommt.

In der Online-Konferenz "Öko-Ebermast – Problem oder Chance?" des Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) wurde auf Basis aktueller wissenschaftlicher Studien diskutiert, ob und in welcher Form die Ebermast eine Alternative zur betäubungslosen Kastration sein kann.

Nicht jede Maßnahme zeigt Wirkung

Katharina Heidbüchel vom Thünen-Institut in Trenthorst stellte in ihrem Vortrag die Ergebnisse einer Studie zum Einsatz von Kleegrassilage als Raufutter in der Ebermast vor, mit der die Bildung geruchsbildender Stoffe verringert werden soll. Dafür wurden insgesamt 144 Schweine auf einem Praxisbetrieb geprüft. Es wurde jedoch laut Heidbüchel deutlich, dass die Kleegrasergänzung nicht die erhoffte Wirkung zeigte. Zwar lagen die Gehalte der geruchsbildenden Stoffe insgesamt auf einem niedrigen Niveau, aber mehr als ein Viertel der Proben überschritten den theoretischen Grenzwert für Skatol oder Androstenon.

"Allerdings ist eine Überschreitung der Werte nicht gleichbedeutend mit einem Geruchsproblem", betonte die Wissenschaftlerin. Umso mehr komme es darauf an, tatsächlich geruchsauffällige Tiere vor der Schlachtung zu erkennen. Die Mast der Eber sei völlig unproblematisch verlaufen. Tageszunahmen und Fleischqualität waren gut, während die Zahl der Schlachtkörper mit Verletzungen auf sehr niedrigem Niveau lag. Verletzungen der Penisspitze, die häufiger in der Ebermast beobachtet wurden, traten nur bei einem von 144 Tieren auf.

"Die Ebermast kann funktionieren. Sie bleibt aber ein Verfahren, bei dem Vorsicht geboten ist", fasste Heidbüchel die Ergebnisse zusammen. Vor allem bleibe es schwierig, die Skatol- und Androstenonwerte produktionstechnisch zu beherrschen. Auch die eindeutige Erkennung geruchsauffälliger Schlachtkörper am Schlachthof sei nach wie vor eine Herausforderung.

Daniela Werner vom Thünen-Institut berichtete über den Einfluss der Rassenwahl auf die Ausbildung geruchsbildender Stoffe. Ein Versuch auf einem Praxisbetrieb brachte dazu keine eindeutigen Ergebnisse. Während die Rasse Dänisch Duroc im Vergleich zu Tieren der Rasse Pietrain niedrigere Skatolgehalte aufwies, hatte die Duroc-Gruppe höhere Androstenongehalte. Insgesamt wurden bei beiden Rassen geringe Skatolgehalte gemessen.

Keine erhöhte Verletzungsrate bei ökologischer Ebermast

Dass die Ebermast unter ökologischen Haltungsbedingungen nicht zu erhöhten Verletzungsraten führt, stellte Jaenette Lange von der Universität Kassel in ihrem Vortrag heraus. Verhaltensbeobachtungen von jeweils über 600 Ebern und Börgen hätten zwar gezeigt, dass es unter den Ebern etwa fünf Mal mehr Kämpfe gab. Diese Auseinandersetzungen hätten sich aber nicht in größeren Verletzungen und Beeinträchtigungen der Schlachtkörperqualität niedergeschlagen. Darüber hinaus beobachtete das Forschungsteam, dass ein großzügiges Einstreuen von Stroh möglicherweise zu weniger Penisverletzungen führt.

Umstrittene Immunokastration

Zu der im Ökolandbau umstrittenen Immunokastration stellte Daniela Werner vom Thünen-Institut aktuelle Versuchsergebnisse vor. Der dafür eingesetzte Impfstoff Improvac® regt die Bildung von Antikörpern gegen ein körpereigenes Hormon des Schweins an, das die Entwicklung der Hoden steuert.

In den Versuchen war keines der behandelten Tiere mehr fortpflanzungsfähig. Zwischen geimpften und nicht geimpften Schweinen gab es in Bezug auf die Leistung keine Unterschiede. Werner schließt aus den ermittelten Daten, dass eine Improvac®-Impfung eine Alternative zur chirurgischen Kastration sein kann, um Ebergeruch im frühen Stadium zu vermeiden. Dennoch ließen sich Geruchsabweichungen auch mit einer Impfung nicht ausschließen.

Laut Werner hat die EU-Kommission im Jahr 2020 beschlossen, dass die Immunokastration nicht mit den Prinzipien des ökologischen Landbaus vereinbar und das Verfahren in der EU-Ökoverordnung als nicht zulässig erklärt. Die Studie wurde vor dieser Entscheidung abgeschlossen.

Verarbeitungsschritte gegen Ebergeruch?

Als weiteren Ansatz für die Etablierung der ökologischen Ebermast wird eine angepasste Verarbeitung von geruchsauffälligem Fleisch gesehen, bei der man versucht, den Geruch durch bestimmte Zutaten zu überdecken. Maike Hölscher von der Technischen Hochschule Ostwestfalen berichtete dazu über eine BÖLN-Studie, in der verschiedene Fleischprodukte mit Anteilen von geruchsbelastetem Eberfleisch von verschiedenen Testpersonen beurteilt wurden.

Dabei zeigte sich laut Hölscher, dass Leberwurst und Brühwürstchen, insbesondere in erwärmter Form, bei höherer Belastung mit Skatol oder Androstenon tendenziell abgelehnt wurden. Bei Würstchen erkannte nur geschultes Personal geruchsauffälliges Fleisch und lehnte es ab. Ungeschulte Personen erkannten dagegen keinen Unterschied. Bei Kochschinken wurden gering belastete Eberproben vorgezogen, stark belastete Proben dagegen abgelehnt. Für Rohschinken gab es keine eindeutige Bevorzugung oder Abneigung der Eberproben. Höhere Gehalte der geruchsbildenden Stoffe führten jedoch zur Abneigung.

"Sehr sensible Personen erkennen Abweichungen in Geruch und Geschmack auch bei geringen Gehalten der geruchsbildenden Stoffe", sagte Hölscher. "Sie lehnen Produkte mit höheren Gehalten komplett ab. Eine Überdeckung des Geruchs ist hier nicht möglich." Das sei bei den meisten ungeschulten Personen jedoch anders. Sie erkennen häufig keine Unterschiede oder können diese nicht einordnen.

Prof. Daniel Mörlein von der Universität Göttingen zeigte sich dennoch überzeugt, dass eine werterhaltende Verwertung von belastetem Eberfleisch möglich ist. Diese sei auch aus ethischen Gründen wünschenswert. Er empfiehlt eine sorgfältige Detektierung auffälliger Proben durch gut geschulte Prüferinnen und Prüfer in Kombination mit einer chemischen Analyse der vorhandenen Mengen an Skatol und Androstenon.

Studien hätten bestätigt, dass es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung bei der Prüfung und der chemischen Analyse der geruchsbildenden Stoffe gibt. Dabei sei Skatol der entscheidende Stoff. Letztlich hänge es aber von der Kombination der beiden Stoffe ab, ob eine Probe als auffällig beziehungsweise unangenehm wahrgenommen wird.

Mörlein betonte, dass geschultes Testpersonal nur für die objektive, sensorische Beurteilung möglicher belasteter Proben eingesetzt werden sollte. Um Sortiergrenzen für auffällige Proben zu ermitteln, seien dagegen Tests durch unbeeinflusste Verbraucherinnen und Verbraucher sinnvoller. "Letztlich muss doch der Konsument entscheiden: Schmeckt es oder schmeckt es nicht", sagte Mörlein. Ein Nachteil der Verbrauchertests sei allerdings der hohe Preis.

Für bestimmte Produkte wie zum Beispiel Mettwurst sei die Verdünnung belasteter Partien ein geeigneter Weg zur Verwertung. Eine Studie mit 300 Teilnehmenden habe gezeigt, dass es bei einer Verdünnung von Bratwürstchen mit einem Drittel Anteil geruchsauffälligem Eberfleisch so gut wie keine Unterschiede bei der Geschmackswahrnehmung im Vergleich zu unbelasteten Proben gegeben habe. Eine Notwendigkeit zur Kennzeichnung von Eberfleisch sieht Mörlein nicht.

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