Praxisbeispiel: Bio-Pute lohnt sich!

Praxisbeispiel: Bio-Pute lohnt sich!

Eine wirtschaftliche Mast von Bio-Puten gilt als große Herausforderung. Dem Betrieb Hoffarth gelingt dieses Kunststück, genauso wie eine sehr erfolgreiche Direktvermarktung der Tiere und eine optimale Nutzung der hofeigenen Ställe.

"Ich mag keine Gänse. Und außerdem wollte ich keinen Verkaufsstress vor Weihnachten haben." So begründet Claudia Hoffarth ihren Einstieg in die Bio-Putenhaltung, als sie vor 20 Jahren auf der Suche nach einem neuen Betriebszweig war. Ihr Betrieb ist der Naturlandhof Eselsmühle in Lohra bei Marburg, den sie gemeinsam mit ihrem Mann Dieter und ihren Kindern Malte, Felix und Nele leitet.

Wegen der mäßigen Böden der Region hat sich der Betrieb schon seit langem auf die Tierhaltung spezialisiert, vor allem auf die Zucht von Angus Rindern, Welsh Ponys und auf die Sommerhaltung von Puten. Und das sehr erfolgreich. Anfang 2019 wurde der Hof Eselsmühle von Bundesministerin Julia Klöckner als Sieger beim Bundeswettbewerb Ökologischer Landbau ausgezeichnet.

Die Puten der Rasse B.U.T. Big 6 haben eine Sonderstellung im Betrieb. Denn die knapp sechsmonatige Mast findet nur in den Sommermonaten von Mai bis Oktober statt. Das heißt: Es gibt nur einen Durchgang pro Jahr. Dafür hat Claudia Hoffarth gute Gründe: "Wir wollten unseren Rinderstall auch im Sommer sinnvoll nutzen. Denn diese Zeit verbringt unsere Angus-Mutterkuhherde komplett auf der Weide."

Besondere Hygiene- und Platzkonzepte

Dass es seit vielen Jahren so gut wie keine Verluste mehr bei der Mast gibt und die Tiere überdurchschnittlich gesund sind, ist laut Hoffarth kein Zufall. "Die Puten haben bei uns nicht nur im Außenbereich auf der Wiese sehr viel Platz, sondern auch im Stall, der durch die offene Bauweise optimal durchlüftet ist."

Zudem investieren die Hoffarths viel Arbeit in ihre Puten, insbesondere in die Hygiene. Die Tränken werden täglich mit verdünntem Obstessig gereinigt und mindestens jeden zweiten Tag wird neu eingestreut, bei Regen auch täglich. Zudem sind mehrere Kontrollgänge pro Tag selbstverständlich, um mögliche Probleme rechtzeitig zu erkennen. Viel Aufwand, der sich aber bezahlt macht. "Wir hatten in 20 Jahren nur ein einziges Mal Kokzidien im Bestand", erzählt Hoffarth.

Auch den Auslaufbereich optimierte die Familie im Laufe der Jahre. Offene Flächen, die Puten instinktiv meiden, wurden nach und nach mit selbstgebauten Hütten, Sträuchern und abgestorbenen Fichten geflügelfreundlich gestaltet. Der Stall mit dem vorgelagerten Hofbereich musste ebenfalls "putensicher" abgedichtet werden mit ausreichend hohen Drähten und Brettern. "Ganz wichtig ist, dass der Stall auch fuchssicher ist", ergänzt Hoffarth. "Denn ein Mal hat es ein Fuchs herein geschafft und im Blutrausch 30 Puten gerissen."

Geschlechter getrennt halten

Aufgestallt werden die Puten im Alter von fünf Wochen. "Dann haben sie genügend Federn und können auch mal kühlere Tage im ungeheizten Stall aushalten", erklärt Hoffarth. Der Bezug von Bio-Putenküken ist relativ schwierig, da es nur wenige Anbieter gibt. Die Eselsmühle bezieht ihre Jungputen seit vielen Jahren vom Betrieb Lojdl am Bodensee.

Ganz bewusst mästet der Bio-Betrieb neben Hähnen auch einige Hennen. Die weiblichen Tiere wachsen zwar etwas langsamer und werden nicht so groß und schwer wie die Hähne. Dieser vermeintliche Nachteil ist aber bei der Vermarktung ein Vorteil, da einige Kundinnen und Kunden kleinere Tiere beziehungsweise Putenteile bevorzugen.

Anfangs wurden beide Geschlechter durchgehend zusammengehalten, was aber mit zunehmendem Alter und Beginn der Geschlechtsreife, zu Problemen führte. "Die Hähne sind in Gegenwart von Hennen sehr aggressiv untereinander. Außerdem bespringen sie die Hennen, was häufiger zu Verletzungen führte", berichtet Claudia Hoffarth. Gelöst wurde das Problem durch eine getrennte Haltung der Geschlechter, bei der die Hennen außer Sichtweite der Hähne sind. "Das macht die Hähne deutlich entspannter und es gibt viel weniger Auseinandersetzungen."

Bio-Futter fördert Gesundheit

Neben der Hygiene ist die Fütterung die größte Herausforderung in der Bio-Mast, da die verfügbaren Rassen ausschließlich für die konventionelle Haltung gezüchtet wurden. Claudia Hoffarth greift auf teures, aber sehr hochwertiges Bio-Futter zurück, mit zwei Energiestufen für die mittlere und späte Mastphase. "Das Futter ist wirklich das letzte, woran man sparen sollte. Das ist bei uns ein wichtiger Garant für die gute Gesundheit der Tiere und damit auch für die Wirtschaftlichkeit der Mast."

Um Kosten zu sparen, aber auch um den Energiegehalt der Ration zu senken, wird im Laufe der Mast zusätzlich eigener Bio-Weizen mit steigenden Anteilen eingemischt. Dass sich dadurch auch das Wachstum der Tiere etwas verlangsamt, ist eine bewusste Entscheidung der Betriebsleiter. "Im Vergleich zur konventionellen Haltung wachsen unsere Tiere deutlich langsamer, aber immer noch sehr schnell", sagt Claudia Hoffarth. "Wir wollen einfach gesunde, vitale Tiere bis zum Schluss. Bei uns sitzt auch am Schlachttag kein Tier mit Liegebeulen oder Knickbeinen im Stall. Das ist uns wichtig."

Aus dem gleichen Grund werden die Tiere auch nicht komplett ausgemästet, sondern nur bis zu einem Schlachtgewicht von maximal 19 Kilogramm bei Hähnen und 12 Kilogramm bei Hennen gehalten.

Direktvermarktung lohnt sich

Die Vermarktung der Tiere dauert von Ende September bis Ende Oktober und ist ein Kraftakt für die ganze Familie, die für den Verkauf ein eigenes Bestell-System entwickelte. Der Betrieb schickt den Kundinnen und Kunden Termine per E-Mail, an denen die vorbestellte Menge an Putenfleisch abgeholt werden kann. Außerhalb dieser Termine findet kein Abverkauf statt. Vor jedem der Verkaufstage werden bis zu 25 Puten in einer lokalen Schlachterei geschlachtet und noch am selben Tag zurückgebracht, damit sie im betriebseigenen Kühlraum aushängen können. Am folgenden Tag werden die Tiere dann zerlegt und die Kundschaft kann die vorbestellten Teile – ganze Pute, halbe Pute oder ein Gourmet-Paket mit Brust und Keulen – abholen.

"Das sind schon sehr intensive Tage“, sagt Claudia Hoffarth. "Aber es lohnt sich auch." Zudem ist das Kundenfeedback durchgehend positiv. Gelobt werden laut Hoffarth vor allem die besondere Fleischqualität und der Geschmack. "Ganz wichtig ist den Kunden aber auch, dass sie wissen, wo das Fleisch herkommt und wie die Tiere gehalten wurden."

Deshalb wird die Putenaufzucht auf der Eselsmühle bewusst transparent gehalten. So liegt das Grünland für den Auslauf direkt an einem stark frequentierten Radweg. Viele der heutigen Stammkunden des Betriebs sind so erst auf Bio-Putenfleisch aufmerksam geworden. Aber auch spontane Betriebsführungen an den Verkaufstagen sind für die Hoffarths selbstverständlich.

"Alles in allem sind wir sehr zufrieden mit unserer Bio-Putenhaltung", fasst Claudia Hoffarth ihre Erfahrungen zusammen. "Allerdings sind wir nach dem letzten Verkaufstag auch immer alle froh, dass wir sechs Monate lang nichts mehr mit Puten zu tun haben."

Letzte Aktualisierung 08.08.2022

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