Urgesteinsmehl

Urgesteinsmehl: Ein Bodenverbesserer mit langer Öko-Tradition

Für die Pionierinnen und Pioniere des Öko-Landbaus war der Gebrauch von Urgesteinsmehl noch eine Selbstverständlichkeit. Mit seinen speziellen Eigenschaften half es, Wirtschaftsdünger und Böden zu verbessern. Heute wird Urgesteinsmehl nur noch in sehr seltenen Fällen verwendet.

In den Anfängen der Öko-Landbau-Bewegung war die Anwendung von Urgesteinsmehl noch eine ganz selbstverständliche und grundlegende Maßnahme. Für die großen Bio-Pionierinnen und -Pioniere Hans und Maria Müller und Hans Peter Rusch war Urgesteinsmehl mitunter eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen im ökologischen Pflanzenbau. Das Steinmehl wurde dafür entweder der Einstreu oder dem Mist zugesetzt oder breitflächig auf den Äckern und Wiesen ausgebracht.

Heute ist den meisten Öko-Landwirtinnen und -Landwirten Urgesteinsmehl nur noch vom Namen her bekannt. Verwendet wird es kaum noch. Dabei ist Gesteinsmehl mit seinen besonderen physikalischen und chemischen Eigenschaften nach wie vor ein wertvoller Bodenverbesserer und Spurenelementlieferant.

Was ist Urgesteinsmehl?

Prinzipiell kann jedes gemahlene Gestein als Gesteinsmehl bezeichnet werden. Für die Anwendung in der ökologischen Landwirtschaft spielen aber vor allem die sogenannten Urgesteinsmehle und bei diesen wiederum die basischen Gesteine vulkanischen Ursprungs eine Rolle. Sie werden aus Basalt- oder Diabas-Steinbrüchen gewonnen.

Hauptbestandteil dieser Urgesteinsmehle ist Silizium (SiO2) – auch Kieselsäure genannt. Je nach Gesteinsart hat es einen Anteil zwischen 37 und 70 Prozent. Außerdem kommen die folgenden Minerale in relevanter Menge vor (siehe auch Tabelle): Tonerde (Al2O3) sowie Eisen(III)-oxid (Fe2O3), Calciumoxid (CaO), Magnesiumoxid (MgO), Kaliumoxid (K2O) und Natriumoxid (Na2O). Ganz wesentlich für die Landwirtschaft ist außerdem der Gehalt an Spurenelementen.

Tabelle: Durchschnittliche Zusammensetzung von Diabas-Gesteinsmehl

Silizium (SiO2): 46,6 %Wichtige Spurenelemente:
Tonerde (Al2O3): 13,4 %Kobalt: 45,5 mg/kg
Eisen (Fe2O3): 12,7 %Kupfer: 34,2 mg/kg
Calcium (CaO): 7,3 %Molybdän: 2,7 mg/kg
Magnesium (MgO): 6,5 %Selen: 55 mg/kg
Natrium (Na2O): 3,5 %Zink: 121,6 mg/kg
Phosphor (P2O5): 0,5 % 

Quelle: Urgesteinsmehl – Der Versuch einer Annäherung an sein wahres Wesen. Markus Danner, Bio Austria

Wie wirkt Urgesteinsmehl?

Die Wirkung von Urgesteinsmehl ist in den seltensten Fällen unmittelbar feststellbar. Sie zeigt sich vielmehr in Form einer langfristigen Bodengesundung und Bodenbelebung. Besonders über die Aufbereitung von Wirtschaftsdüngern und ein optimales Düngungsmanagement kann damit ein nachhaltiger Bodenaufbau erreicht werden. Urgesteinsmehl dient zudem als Nachschub für Spurenelemente und fördert somit die Qualität der Kulturpflanzen.

Gut für Bodenleben und Bodenstruktur

Besonders wertvoll für Boden und Pflanze sind die sehr fein vermahlenen Urgesteinsmehle. Denn die Fraktionen von unter 0,005 Millimeter (fünf Mikrometer) dienen als Ionenaustauscher. Das heißt, sie haben – wie Tonminerale – die Fähigkeit, Ionengruppen anzulagern und abzugeben. Damit tragen sie zum einen zu einer gesunden Nährstoffdynamik zwischen Boden und Pflanzenwurzeln bei. Zum anderen fungieren sie als Stoffwechselkatalysator für Bodenmikroben und haben somit eine direkte Wirkung auf deren Vitalität und Dynamik.

Eine weitere wichtige Eigenschaft von Urgesteinsmehlen ist ihre Fähigkeit zur Bildung von Ton-Humus-Komplexen. Das sind wasserunlösliche, stabile Verbindungen, die eine besondere Bedeutung für die Bodenfruchtbarkeit und Bodenstruktur haben. Denn zusammen mit Sandteilchen und der Lebendverbauung durch Mikroorganismen entstehen durch sie stabile Bodenkrümel mit einer hohen Luft- und Wasserhaltefähigkeit, an die austauschbar Nährstoffe gebunden werden können. An der Krümelbildung sind übrigens auch die gröberen Fraktionen (mehr als fünf Mikrometer) im Urgesteinsmehl beteiligt.

Urgesteinsmehl liefert Spurenelemente in optimaler Dosis

Spurenelemente sind zentrale Bausteine von Enzymen, Vitaminen und anderen Botenstoffen, die lebenswichtige Prozesse steuern. So ist Molybdän zum Beispiel wichtig für die Stickstofffixierung der Knöllchenbakterien. Kobalt, um ein anderes Beispiel zu nennen, ist für die Bildung von Vitamin B12 von Bedeutung. Dieses Vitamin wird von einigen freilebenden Mikrobenarten benötigt, die – den Knöllchenbakterien gleich – Luftstickstoff binden können. Aber auch Tiere und Menschen brauchen Spurenelemente, die sie mit dem Futter bzw. der Nahrung aufnehmen – oder eben nicht mehr.

Einige Spurenelemente müssen Tieren und Menschen heute künstlich zugeführt werden, weil Futter- und Lebensmittel zunehmend auf Böden heranwachsen, in denen diese Spurenelemente nicht mehr oder nur in unzureichenden Mengen enthalten sind. Versuche, dem Boden und den Kulturpflanzen diese Minerale und Elemente über eine gezielte Düngung zurückzugeben, führen nicht selten zu Fehldosierungen, da entweder das Wissen um die pflanzenphysiologischen Zusammenhänge und/oder die relativ aufwändigen Analyse- und Auswertungsverfahren fehlen.

Urgesteinsmehl hingegen gewährleistet, dass zur Verfügung steht, was gebraucht wird und freigesetzt werden kann, ohne dass Auswaschungen oder Überdosierungen zu befürchten sind.

Gute Pufferwirkung

Basische Gesteinsmehle erhöhen die Basensättigung des Bodens und puffern im sogenannten Silikatpufferbereich zwischen pH 5 und 6,2. Dies ist jener Bereich, in dem sich ein Großteil der Böden, vor allem Grünlandböden, befindet und der das biologische Optimum in Bezug auf unter- und oberirdisches Pflanzenwachstum und bodenchemische Prozesse darstellt. In diesem Bereich kommt es zu keinen nennenswerten Auswaschungen und keinen chemischen Wachstumshemmungen. Ein starkes und schnelles Anheben des pH-Wertes, wie es bei so mancher Kalkung geschieht, ist bei Gesteinsmehlen nicht zu erwarten.

Verbesserung organischer Wirtschaftsdünger

Durch die komplexbildenden und belebenden Eigenschaften feiner Urgesteinsmehle werden die damit behandelten organischen Dünger wie Gülle, Mist oder Kompost in ihrer Bodenverträglichkeit und organischen Wertigkeit verbessert. Besonders auffällig ist dieser Effekt bei Gülle. Das Gesteinsmehl kann in die Gülle eingebracht werden, während diese gerührt wird. Die Gülle wird dadurch homogener und fließfähiger, und die Bildung von Sinkschichten und Schwimmdecken wird vermieden. Zudem wird Ammoniak gebunden, was die Geruchsbelastung mindert.

Tabelle: Empfohlene Aufwandsmengen

Die Angaben verstehen sich als Richtwerte und können in der Praxis unter Umständen stark abweichen
AnwendungSanierunglaufend
Stall (Festmist) 0,5 – 1 kg/GVE/Tag
Gülle ca. 25 – 30 kg/m3
Mistaufbereitung ca. 25 kg/m3
 3000 kg/ha*500 – 1000 kg/ha/Jahr

* bei Bedarf wiederholen, unter Umständen auch höhere Aufwandmengen, Quelle: Urgesteinsmehl – Der Versuch einer Annäherung an sein wahres Wesen. Markus Danner, Bio Austria

Warum verwenden heute so wenige Öko-Betriebe Urgesteinsmehl?

Trotz ihrer positiven Wirkungen und der langen Tradition werden Urgesteinsmehle heute im Öko-Landbau kaum noch eingesetzt. Das bestätigen auch zahlreiche Öko-Beraterinnen und -Berater auf Nachfrage von Oekolandbau.de. Wenn überhaupt, würden Gesteinsmehle nur noch in der Einstreu oder als Zusatz für organische Dünger verwendet.

Auf die Frage, warum so wenig Urgesteinsmehle eingesetzt würden, antworteten die meisten Beraterinnen und Berater, dass das Wissen um diesen Bodenverbesserer in der Praxis verloren gegangen sei. Als weiteren Grund gaben sie an, dass für viele Betriebe heute vordergründig die Versorgung mit Stickstoff, Phosphor und Kali auf der Agenda stehe. Eine langsam wirkende Spurennährstoffversorgung erscheine dagegen eher nachgeordnet.

Auch von der Beratung würden Urgesteinsmehle nur noch selten empfohlen. Ein Grund dafür sei, dass wenig Forschungsergebnisse zu dem Thema vorlägen und es lediglich Erfahrungswerte gebe, die von der Beratung nicht als Grundlage für eine generelle Empfehlung herangezogen werden könnten. Dass so wenig verwertbare Forschungsergebnisse vorlägen, liege nach Meinung der Beraterinnen und Berater daran, dass Urgesteinsmehle multifaktoriell seien und nur sehr langsam wirkten. Das wiederspreche dem etablierten Forschungsansatz.

Als weiteren wichtigen Grund gaben die Befragten auch an, dass die Technik für die Bevorratung und Ausbringung von Gesteinsmehlen heute auf den Betrieben kaum vorhanden sei. Für die Ausbringung von reinen Gesteinsmehlen würden Kalkstreuer mit Staubschutz benötigt.

Schließlich spiele auch der Preis eine Rolle. Insbesondere dann, wenn das Urgesteinsmehl in 20 Kilogramm-Gebinden, auf Euro-Paletten oder in Big Bags geliefert würde, könne es teuer werden. Eine LKW-Lieferung mit loser Ware wäre eine preiswertere Alternative, hänge aber davon ab, wie weit der nächste Anbieter entfernt liege und müsse in puncto Lagerung und Ausbringung gut geplant werden.


Dieser Artikel basiert auf Information aus einem Dossier zum Thema Urgesteinsmehl von Markus Danner, Bio Austria. Hier finden Sie das komplette Dossier:

Urgesteinsmehl – Der Versuch einer Annäherung an sein wahres Wesen

Literaturhinweis

Snoek, Helmut und Wülfrath, Horst (2000): "Das Buch vom Steinmehl – Entstehung, Verwendung und Bedeutung im Land- und Gartenbau", erschienen im Deukalion Verlag.

Letzte Aktualisierung 19.03.2024

Nach oben
Nach oben