Rechtsextreme Ökos

Rechtsextreme Ökos – Was die Bio-Branche dagegen tut

Immer mehr rechtsextreme völkische Siedlerinnen und Siedler betreiben ökologische Landwirtschaft und suchen Anschluss an die Bio-Branche. Die Verbände positionieren sich deutlich gegen diese Versuche rechtsextremer Einflussnahme.

Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Öko-Landwirtschaft – alles das sind keine Themenfelder, die allein von Menschen mit weltoffener und toleranter Gesinnung besetzt werden. Auch Rechtsextreme positionieren sich gegen Gentechnik und industrialisierte Tierhaltung und setzen sich für eine regionale und umweltschonende Landwirtschaft ein. Die Beweggründe sind allerdings andere. Für Rechtsextreme bedeutet Umweltschutz nämlich in erster Linie "Heimatschutz", oder "Volksschutz". Ein Leitgedanke ist für sie dabei die "natürliche" Verbindung von "Volk und Lebensraum" – auch "Blut und Boden"-Ideologie genannt. Sie besagt, dass die Menschen mit dem Land, auf dem sie leben eine untrennbare Einheit bilden und dass sich Charaktereigenschaften und Aussehen der Mitglieder eines "Volkes" durch diese Verbindung ableiten lassen. Die Zerstörung der "deutschen Umwelt" ist für die Anhängerinnen und Anhänger dieser Ideologie also gleichbedeutend mit der "Zerstörung des deutschen Volkes".

Völkische Extremistinnen und Extremisten besiedeln ländliche Räume

Dass Ökologie und Umweltschutz von rechtsextremistischen Ideologien vereinnahmt werden, ist kein Phänomen der letzten Jahre. "Zeugnisse dafür finden wir bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts", schreibt Ralf Fücks vom Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung in der Studie "Braune Ökologen" (PDF-Dokument). Neueren Datums seien jedoch Versuche, diese Ideologie und die Praxis zu verbinden. Zum Beispiel indem völkisch-nationalistische Siedlerinnen und Siedler ganze Höfe und Ländereien in dünn besiedelten Landstrichen erwerben. Ziel dieser Besiedlung ist es, die ländliche Alltagskultur im Sinne ihrer Weltanschauung zu beeinflussen. Langfristig sollen sich dort rechtsextreme völkische Gemeinschaften und wirtschaftlich autarke Netzwerke etablieren. Viele der Siedlerinnen und Siedler unterhalten auch Verbindungen zu rechtsextremistischen Parteien und Verbänden. Auf diese Weise erhalten sie zunehmend Einfluss auf die kommunalen Parlamente.

Die Gefahr wird oft unterschätzt

Expertinnen und Experten, die sich seit Jahren mit den völkischen Siedlerinnen und Siedlern befassen, sagen, dass das Ausmaß und die Gefahr, die von dieser Bewegung ausgeht, in den Dörfern und Gemeinden bislang oft unterschätzt werden.

Anfangs sind die Siedlerinnen und Siedler dort sehr willkommen. Gemeinderäte und -verwaltungen zeigen sich hocherfreut, wenn junge Familien in die überalterten Dörfer ziehen und alte Höfe oder verfallene Gebäude aufkaufen oder pachten. Vielen Nachbarinnen und Nachbarn erscheinen die völkisch Denkenden und Handelnden oft nur als "Aussteigerinnen und Aussteiger". Denn äußerlich entsprechen sie nur selten dem Bild, das viele heute von Rechtsextremen haben. In ihrer traditionellen, häufig selbst angefertigten Kleidung, wirken sie teilweise eher wie "Hippies" – insbesondere die Anhängerinnen und Anhänger der rechts-esoterischen Anastasia-Bewegung. Wegen ihrer bodenständigen, nicht abgehobenen Art sind sie oft auch sehr beliebt: Wo es geht, packen sie mit an und übernehmen ehrenamtliche Positionen in Vereinen, Kindergärten oder Schulen.

Die Folgen offenbaren sich den Kommunen dann meist erst später, wenn die menschenfeindliche Weltanschauung der Siedlerinnen und Siedler bekannt wird. Dann "sind sie aber oft schon so fest in den Alltagsstrukturen verankert, dass nur schwer gegen sie vorgegangen werden kann", schreibt die Amadeu-Antonio-Stiftung, eine Initiative für Zivilgesellschaft und demokratische Kultur, die zahlreiche Veröffentlichungen zu dem Thema herausgegeben hat.

Über ganz Deutschland verteilt

Völkische Siedlerinnen und Siedler finden sich inzwischen in weiten Teilen Deutschlands: Sie haben sich in Bayern, Brandenburg, Hessen, der Lüneburger Heide, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen niedergelassen. Laut Amadeu-Antonio-Stiftung leben einige westdeutsche Siedlerfamilien bereits in dritter Generation auf abgelegenen Höfen. Bisher sind sie wenig aufgefallen und es gibt auch keine offiziellen Statistiken über sie. Inoffizielle Schätzungen gehen laut Deutschlandfunk jedoch von mehr als 1.000 völkischen Siedlerinnen und Siedlern aus – Tendenz steigend. In den vergangenen Jahren sind außerdem immer mehr sogenannte "Familienlandsitze" der Anastasia-Bewegung hinzugekommen. Dabei handelt es sich um eine rechts-esoterische Gruppierung mit großen ideologischen und personellen Überschneidungen zu den völkischen Siedlerinnen und Siedlern. Diese Bewegung fußt auf einer zehnteiligen Romanreihe des russischen Autoren Wladimir Megre, in der neben antisemitischen auch sexistische und rassistische Positionen vertreten werden.

Was tun, wenn rechte Ökos Anschluss in der Bio-Branche suchen?

In der Bio-Branche wird man sich seit einigen Jahren gewahr, dass rechtsextreme völkische Siedlerinnen und Siedler ökologische Landwirtschaft betreiben und Anschluss an die Branche suchen. In verschiedenen ökologischen Anbauverbänden kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Vorfällen mit rechtsextremen Mitgliedern und auch das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft (Solawi) klagt über Anschlussversuche von Rechtsextremen. "Es gab wiederholt Probleme mit Mitgliedern, die rechte Tendenzen gezeigt haben, so wurden zum Beispiel Ernte-Abholstationen für die Auslage von rechts-populistischen Flyern missbraucht", berichtet Barbara Graf vom Netzwerk Solidarische Landwirtschaft. "Der schwierigste Fall war, dass eine völkische Familie eine Solawi betrieben und dafür die Strukturen unseres Netzwerkes genutzt hat."

Das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft hat daher 2016 reagiert und die Arbeitsgruppe Rechte Tendenzen gegründet, die sich mittlerweile mit zahlreichen Bio-Verbänden und anderen kritischen Organisationen vernetzt hat. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, die Mitglieder für das Thema zu sensibilisieren und zu beraten. Die Arbeitsgruppe will aufklären, damit es erst gar nicht zu rechtsextremistischen Anschlüssen kommt. "Sehr wichtig ist es zum Beispiel, die Beraterinnen und Berater der Verbände und Organisationen dafür zu schulen, bereits bei der Erstberatung auf entsprechende Zeichen auf den Höfen zu achten", sagt Graf, die die Arbeitsgruppe mitbegründet hat. "Das ist nicht immer ganz einfach, denn die völkischen Siedlerinnen und Siedler entsprechen äußerlich nur selten dem Bild, das wir von Rechtsextremen haben." Dafür gebe es aber andere eindeutige Hinweise, wie zum Beispiel Zeichen und Symbole, die auf eine rechtsradikale, völkische Gesinnung hinweisen und die man mit geübtem Auge schnell erkennen könne, so Graf.

Bio-Anbauverbände positionieren sich deutlich gegen rechts

Sehr wichtig ist es, im Verband frühzeitig Stellung zu beziehen gegen Rechtsextremismus. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) hat daher bereits im Jahr 2012 eine Resolution erlassen, in der er sich deutlich gegen Rechtsradikalismus im Öko-Landbau positioniert: Darin heißt es: "Der BÖLW und seine Mitglieder wenden sich in aller Entschiedenheit gegen jeden menschenverachtenden und die Menschenwürde missachtenden Radikalismus. Insbesondere verurteilen wir jeden Versuch, das Prinzip des Öko-Landbaus eines standortgebundenen Betriebsorganismus für rechtsradikale Ideologien zu missbrauchen. Der BÖLW und seine Mitgliedsverbände werden daher alles in ihrer Macht stehende unternehmen, um rechtsradikale Unternehmer aus ihren Reihen konsequent auszuschließen."

Ausschluss rechtsextremer Mitglieder nicht immer leicht

Entsprechend haben die verschiedenen ökologischen Anbauverbände reagiert und in ihre Satzungen und Mitgliedervereinbarungen entsprechende Formulierungen aufgenommen. Sie sollen es möglich machen, rechtsextreme Mitglieder im Falle eines Falles ausschließen zu können. "Wie Beispiele in der Vergangenheit zeigen, kommt es aber immer wieder zu Problemen, wenn tatsächlich Mitglieder ausgeschlossen werden sollen" sagt Graf. Aus eigener Erfahrung weiß sie, dass es selbst mit entsprechenden Formulierungen in der Satzung schwierig bleibe, den Rauswurf von Mitgliedsbetrieben notfalls vor Gericht durchzusetzen. "Da müssten dann schon die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation oder entsprechende öffentliche Äußerungen nachgewiesen werden", sagt Graf.

Auch Bio-Handel und -Herstellung beziehen Position

Auch der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) und dessen Mitglieder haben sich klar positioniert. Der BNN hat in seine Verbandssatzung aufgenommen, dass man "rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen und anderen diskriminierenden oder menschenverachtenden Verhaltensweisen entschieden entgegen" tritt. Darüber hinaus hat der BNN 2019 die Kampagne "Weltoffen statt rechts – Ökos für Vielfalt" gestartet. Damit setzen er nach außen ein klares Zeichen – auf Social Media und bei Demonstrationen, wie zum Beispiel der jährlichen "Wir haben es satt!"-Demo. "Rechten Ideologien entgegenzutreten wird aber auch auf Ebene unserer Mitgliedunternehmen gelebt", sagt Hans Kaufmann vom BNN.

Ein weiteres Beispiel, das zeigt, wie sich Bio-Hersteller und -Händler gegen rechtsextreme Ideologien wehren, ist der Bio-Saatgutanbieter Dreschflegel. Dreschflegel sah sich 2019 veranlasst, deutlich Position gegen rechts zu beziehen, als bekannt wurde, dass deren Bio-Saatgut auf zahlreichen Festivals der rechts-esoterischen Anastasia-Bewegung verkauft und Dreschflegel auf reichsbürgernahen Internetseite verlinkt worden war. Die Dreschflegel-Position findet sich unter "Dreschflegel gegen braune Tendenzen".

Welche Anlaufstellen gibt es für Betroffene?

Neben der AG Rechte Tendenzen bietet die Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus der Amadeu-Antonio-Stiftung eine Anlaufstelle für Menschen, die sich über den Umgang mit rechtsextremen völkischen Siedlerinnen und Siedlern informieren möchten. Die Stiftung vermittelt umfangreiches Basiswissen zu der Problematik und zeigt Strategien auf, wie Einzelpersonen, Kitas und Schulen, Vereine und Initiativen sowie (Bio-)Betriebe reagieren können. Die Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) der Naturfreunde und Naturfreundejugend informiert und berät zum Umgang mit rechtsextremer Ideologie und völkischen Akteurinnen und Akteuren im Umwelt- und Naturschutz.

Unterstützung beim Umgang mit völkischem Rechtsextremismus auf lokaler Ebene bietet das Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus. Wer von rechtsextremer Gewalt betroffen ist, kann sich an den Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) wenden.


Letzte Aktualisierung 18.05.2021

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