Soziale Landwirtschaft

Soziale Landwirtschaft als Option für den Bio-Betrieb

Wenn landwirtschaftliche Betriebe ihren Hof für Menschen mit Behinderungen oder sozial benachteiligte Menschen öffnen, profitieren meist beide Seiten davon. Bio-Betriebe bringen häufig gute Voraussetzungen mit, um in die Soziale Landwirtschaft einzusteigen.

Landwirtschaftliche Betriebe bieten für behinderte oder sozial benachteiligte Menschen vielfältige Optionen. Das Leben und Arbeiten in und mit der Natur, das Eingebundensein in ein familiäres Umfeld auf dem Bauernhof, sowie das Erleben der eigenen Mitwirkung in der Erzeugung: Alles das wirkt sich positiv auf das Befinden und die Entwicklung dieser Menschen aus. Das belegen zahlreiche wissenschaftliche Studien.

Hauptgrund für diesen positiven Effekt ist, dass bei Tätigkeiten auf einem Bauernhof nicht allein der Intellekt gefordert ist. Es werden in besonderer Weise auch die Gefühle angesprochen – zum Beispiel beim Umgang mit Tieren. Die Betreuten beziehungsweise Mitarbeitenden können zudem durch praktisches, körperliches Tun die Erfahrung machen, Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft bewältigen zu können.

Keine neue Idee

Die Bestrebungen, sozialtherapeutische Arbeit auf den Bauernhof zu verlagern, ist nicht neu. Noch vor 60 bis 70 Jahren war es häufig so, dass an Klöster pädagogische und therapeutische Sozialeinrichtungen sowie psychiatrische Kliniken landwirtschaftliche Betriebe angeschlossen waren. Im Rahmen von Rationalisierungsmaßnahmen wurden jedoch viele dieser landwirtschaftlichen Nebenbetriebe aufgegeben. Erst seit etwa 20 Jahren gibt es europaweit wieder intensive Bestrebungen, die Verbindung von Pädagogik und Sozialarbeit mit der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und dem Gartenbau zu beleben.

An wen richten sich die Angebote?

Angebote im Bereich der Sozialen Landwirtschaft sind sehr vielfältig. Sie reichen von der Integration von Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen über die Einbeziehung sozial schwacher Menschen, straffälliger oder lernschwacher Jugendlicher, Drogenkranker, Langzeitarbeitsloser bis hin zur Betreuung von Seniorinnen und Senioren. Auch (erlebnis-)pädagogische Initiativen wie Bauernhof-Kindergärten und Angebote für Förderschulen fallen unter Soziale Landwirtschaft.

Welche Angebote können landwirtschaftliche Betriebe leisten?

So verschieden die Zielgruppen, so verschieden sind auch die Angebote: Von der Option, ausschließlich auf dem Hof zu arbeiten, über die Rundum-Versorgung der Betreuten mit Integration in den Familienalltag bis hin zum selbstständigen Leben in eigenen Wohnungen auf dem Hof ist alles möglich. Auch die Verweildauer auf dem Hof variiert: von einigen Stunden bis zum Daueraufenthalt von mehreren Jahren.

Im Folgenden einige Beispiele, wie sie in einem Leitfaden der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) zu finden sind. Diese Angebotsformen lassen sich noch erweitern, wenn entsprechende Qualifizierungen, zum Beispiel in den Bereichen Krankenpflege und Therapie, vorliegen.

Soziale Landwirtschaft: Welche Angebote sind möglich?

(Quelle: Soziale Landwirtschaft – Eine Einkommensmöglichkeit mit sozialem Anspruch: Leitfaden für landwirtschaftliche Betriebe in Bayern, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft)

Welches Leistungsspektrum ein landwirtschaftlicher Betrieb letztlich in welchem Umfang erbringen kann, hängt ganz wesentlich von den vorhandenen betrieblichen Ressourcen ab: freie Arbeitskapazitäten, familiäre Voraussetzungen, Eigenkapital oder leer stehende Bausubstanz und anderes mehr. Zum Teil sind auch erforderliche therapeutische oder pädagogische Fachqualifikationen oder einzuhaltende gesetzliche Rahmenbedingungen mitbestimmend.

Je nach Voraussetzung können landwirtschaftliche Betriebe entweder als unabhängige Anbieter der sozialen Dienstleistung auftreten oder mit einer Sozialeinrichtung kooperieren, die dann die therapeutische Betreuung übernimmt.

Soziale Arbeit funktioniert vor allem auf Bio-Höfen gut

Eine aktuelle Befragung der LfL in Bayern belegt, dass mehr als die Hälfte der Betriebe mit Sozialer Landwirtschaft ökologisch bewirtschaftet werden. Die Erfahrungen auf zahlreichen Höfen in Deutschland und anderen europäischen Ländern zeigen, dass es vor allem Bio-Betriebe sind, die sinnvolle Arbeit für Menschen anbieten können, die keine direkten landwirtschaftlichen Vorkenntnisse mitbringen. Denn auf Bio-Höfen gibt es im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft meistens mehr Handarbeit bzw. Routinearbeiten zu erledigen.

Motive für den Schritt zur Sozialen Landwirtschaft

Die Umstellung des eigenen Betriebs auf Soziale Landwirtschaft sollte sich zwar rechnen. Rein finanzielle Motive sind es in der Regel aber nicht, die Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter dazu bewegen. Denn dafür ist die Förderung finanziell in den meisten Fällen nicht attraktiv genug. Für manche Angebotsformen gibt es gar keine Förderung.

Meist steht im Fokus der Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Denn bislang gibt es zu wenig Angebote für Menschen, die auf solche Dienstleistungen angewiesen sind. Für behinderte oder sozial benachteiligte Menschen wird es in der heutigen Leistungsgesellschaft immer schwieriger einen passenden Arbeitsplatz zu finden. Eine Beschäftigung auf einem landwirtschaftlichen Betrieb ist für sie daher ein wichtiger Schritt zur Integration und Teilhabe an der Gesellschaft.

Auch die Nutzung leer stehender Bausubstanz für Angebote im Bereich des Seniorenwohnens ist ein häufiges Motiv, warum Landwirtinnen und Landwirte sich für Soziale Landwirtschaft entscheiden. Ein weiterer Grund ist, den eigenen Betrieb wieder zu beleben, nachdem zum Beispiel die eigenen Kinder ausgezogen sind.

Entscheidungsfindung und Wahl der geeigneten Angebotsform

Landwirtinnen und Landwirte, die sich dafür interessieren, einen sozialen Betriebszweig aufzubauen, wird angeraten, vorab eine genaue Betriebsanalyse vorzunehmen. Dabei sollten die Stärken und Schwächen des eigenen Betriebs sowie aller beteiligten Personen – inklusive der Familienmitglieder – analysiert und bewertet werden. Auch mit den Chancen und Risiken der Branche sollten man sich gut vertraut machen.

Die LfL stellt in dem oben bereits erwähnten Leitfaden eine speziell auf die Soziale Landwirtschaft zugeschnittene Anleitung für eine Umfeld- und Unternehmensanalyse zur Verfügung. Darüber hinaus bietet der Leitfaden übersichtliche Steckbriefe, in denen die verschiedenen Angebotsformen Sozialer Landwirtschaft beschrieben sind. Mit Hilfe dieser Steckbriefe kann eine bäuerliche Familie schnell feststellen, ob und inwieweit sie bei den einzelnen Angebotsformen die nötigen Einstiegsvoraussetzungen erfüllt.

Wie steht es mit der Finanzierung?

Die Finanzierungsmöglichkeiten im Bereich der Sozialen Landwirtschaft sind sehr unterschiedlich. Je nach Angebotsform können die landwirtschaftlichen Betriebe zum Beispiel ein gewisses Entgelt erhalten. Der Regelfall ist, dass die öffentliche Hand dabei als Kostenträger auftritt. Dahinter verbergen sich meist das Land, die Bezirke, die Kommunen oder verschiedene Kassen und Versicherungen der Pflege-, Renten- oder Arbeitslosensparte.

Es gibt aber auch Angebote bei denen Landwirtinnen und Landwirte für die Arbeitsleistung bezahlen müssen oder die Arbeitsleistung gegen Betreuung, Kost und Logis erhalten. Darüber hinaus gibt es Angebote, insbesondere im Bereich des Seniorenwohnens und der Seniorenbetreuung, wo die Nutzerinnen und Nutzer ausschließlich als Selbstzahlerin oder Selbstzahler auftreten. Manchmal gibt es auch Mischformen bei der Finanzierung.

Wo gibt es Hilfe und Unterstützung?

Hilfe und Beratung rund um das Thema Soziale Landwirtschaft bieten bundesweit die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Soziale Landwirtschaft sowie das "Netzwerk alma". Auf der Ebene der Bundesländer gibt es verschiedene Ansprech- und Kooperationspartner, unter anderem die Landwirtschaftsverwaltungen, Öko- und Berufsverbände sowie Landwirtschaftskammern.


Letzte Aktualisierung 26.11.2020

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