Unverpackt-Läden inspirieren die Bio-Branche

Unverpackt-Läden inspirieren die Bio-Branche

Die Herausforderungen und Chancen des verpackungsfreien Geschäftskonzeptes untersuchte ein Forschungsteam der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswald (HNEE) im Rahmen des Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN). Primäres Ziel des Projektes war es, Unverpackt-Läden bei Verbesserungen zu unterstützen. Nina Weiler, freie Journalistin, hat das Forschungsteam befragt, was Unverpackt-Läden noch besser machen können und die Bio-Branche von ihnen lernen kann.

Der Beitrag ist zunächst erschienen in der "BioHandel" (Ausgabe 2/2020).

Nina Weiler: Keine Frage, die Unverpackt-Ladnerinnen und Ladner haben wertvolle Pionierarbeit geleistet. Was können sie noch besser machen?

Jens Pape: Die Unverpackt-Läden haben als erste gesellschaftliche Themen wie Müllvermeidung, Zero Waste und Suffizienz aufgegriffen, die heute die Strategen der Supermarktketten und Discounter beschäftigen. Dazu gehören effektive und umfassende Reduktion von (Verpackungs-) Abfall im Einzelhandel und die Frage des Umgangs mit unserem Konsumverhalten wie "Kauf weniger!". Als 2014 die ersten Unverpackt-Läden eröffneten, ernteten diese von so manchem Zulieferer und Hersteller Stirnrunzeln und Kopfschütteln – das ist heute anders. Mittlerweile stellen sich die Lieferanten zunehmend auf die Wünsche von Unverpackt-Läden ein, liefern in Papier statt in Kunststoffgebinden, verzichten auf überflüssige Materialien und stellen vereinzelt auf Mehrweggebinde um. Aber das sind bislang noch Insellösungen.

Melanie Kröger: Generell gilt, dass bislang jeder Laden individuell sein eigenes Konzept entwickelt. Die Gründerinnen und Gründer sind oftmals Quereinsteiger und erfinden so immer wieder das Rad neu. Aber die Branche ist inzwischen dabei, professioneller zu werden und zum Beispiel mit dem Unverpackt-Verband entsprechende Strukturen aufzubauen und durch Vernetzung und in Kooperation gemeinsam Ziele zu erreichen.

Alexandra Wittwer: Intensiv arbeiten sollten die Läden an ihren Alleinstellungsmerkmalen. Die Läden werden von ihren Kundinnen und Kunden nicht nur für die unverpackten Lebensmittel und Non-Food-Artikel geschätzt, sondern weil sie besondere Orte mit eigener Atmosphäre und besonderen Angeboten sind. Viele bieten Workshops und Filmabende an oder organisieren Stammtische. Diese Stärken sollten die Läden weiter herausarbeiten, um sich gegen die in Zukunft möglicherweise wachsende Konkurrenz abzuheben.

Weiler: Was kann die Bio-Branche von den Unverpackt-Läden lernen?

Kröger: Die Unverpackt-Läden haben das Verpackungsthema zurück auf die Agenda der Bio-Branche gebracht. Und sie zeigen: Verpackungsreduzierte Lösungen sind möglich, auch wenn der Großhandel und Hersteller anfangs Widerstand gegen eine Umstellung leisten und die Kundinnen und Kunden Gewohnheiten erst nach und nach umstellen. Sicherlich werden sich Bioläden und -supermärkte in Zukunft nicht zu hundertprozentigen Unverpackt-Läden wandeln. Dennoch inspirieren die mehr als 200 Unverpackt-Läden die Branche und zeigen Lösungen. Vielleicht müssen solche Impulse ja auch von Quereinsteigern kommen, die das Übliche in Frage stellen und radikale Alternativen ausloten.

Wittwer: Unverpackt-Läden zeigen, dass kleine, inhabergeführte Läden auch gegen größere Ketten bestehen können, wenn die Vorteile dieser Ladenkonzepte klar betont werden: Eine familiäre Atmosphäre, die persönliche Beziehung zu Inhaberinnen und Inhabern und die damit verbundene hohe Glaubwürdigkeit. Die Läden werden von vielen Kundinnen und Kunden gerade wegen des kleineren, aber sorgfältig ausgewählten Sortiments und der zusätzlichen attraktiven Angebote wie einer Café-Ecke, Workshops, Informationen und dem Austausch mit anderen Kundinnen und Kunden geschätzt. Erfolgreiche kleine Bioläden wissen sicherlich um diese Stärken, aber der kleine Gründungsboom von Unverpackt-Läden könnte diese Stärken auch der gesamten Branche nochmals verdeutlichen.

Weiler: Um den Verpackungsmüll auf ein Mindestmaß zu reduzieren, müssen der Großhandel und die Lebensmittelhersteller mitziehen. Was sind die größten Herausforderungen in der Warenlogistik?

Pape: Die Umstellung von Prozessen bei Herstellern und Großhandel ist aufwendig, für vieles gibt es noch keine Standardlösungen. Das macht das Weglassen von Verpackungen auf allen Stufen ressourcenintensiv. Es sind mehr Arbeitsschritte und Handgriffe und Lagerkapazitäten erforderlich. Auch in der Logistik gibt es eingespielte Routinen, Gewohnheiten und Konventionen, zum Beispiel beim Handling – diese zu ändern ist nicht immer einfach. Konkret gibt es für manche Aspekte (noch) keine optimalen Lösungen, etwa für die bei der Zulieferung genutzte Stretchfolie und effiziente Mehrwegsysteme.

Weiler: Wo wird der Unverpackt-Bereich in zwanzig Jahren stehen?

Kröger: Die dynamische Entwicklung der letzten fünf Jahre hochzurechnen, wäre sicherlich nicht seriös. Bislang gab es ein stetiges Wachstum und nur sehr wenige Läden wurden wieder geschlossen, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Das Thema Verpackungsreduktion wird uns bestimmt noch eine ganze Weile beschäftigen. Wir sehen, dass die klassischen Supermärkte und Discounter sich mittlerweile ernsthaft mit dem Thema beschäftigen. Mein Eindruck ist, dass dies nicht alles nur Greenwashing ist. Aber es wird auch klar, dass das Weglassen von Verpackungen, so plausibel es für die meisten Menschen auch ist, keine triviale Aufgabe ist. Verpackungen sind für die heute üblichen Einkaufstätten grundlegend. Sie erfüllen vielfältige Funktionen. Werden sie weggelassen, brauchen wir Alternativen. Ob sich die Idee des losen Verkaufs in verschiedenen Einzelhandelsformaten durchsetzt oder eine Nische bleibt, bleibt also abzuwarten.

Weitere Angebote

"unverpackt"-Toolbox

Sammlung von praxisnahen "unverpackt“-Einkaufs-Tipps" für Verbraucherinnen und Verbraucher, die als Postkarten und Poster ausdruckbar sind oder sich als Online-Post verwenden lassen

(Anfrage von Unverpackt-Läden beim Forschungsteam, E-Mail: melanie.kroeger@hnee.de).

Controllingtool

Das Controllingtool und die Wirtschaftlichkeitskennziffern unterstützen Unverpackt-Läden dabei, ihre Betriebsergebnisse zu bewerten und die Wirtschaftlichkeit ihres Ladens besser einzuschätzen.

(Weitere Informationen zur Nutzung des Controllingtools durch das Forschungsteam, E-Mail: melanie.kroeger@hnee.de)

Praxisratgeber für Unverpackt-Ladenbesitzerinnen und -Ladenbesitzer

Der Ratgeber bietet viele interessante Hinweise für Praktikerinnen und Praktiker, unter anderem zur Ladeneinrichtung, Sortimentsgestaltung und zur Ansprache der Kundinnen und Kunden.

Zum Ratgeber (PDF-Dokument)

Fachbeitrag auf der Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau

"Nicht schwieriger, aber anders? Herausforderungen des unverpackt-Einkaufens aus Kundensicht"

Zur Beitragszusammenfassung (PDF-Dokument)


Letzte Aktualisierung 17.06.2020

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