Standpunkte zu den neuen DGE-Qualitätsstandards

DGE-Standards: mit Augenmaß abgewogen oder eine verpasste Chance?

Sollen Qualitätsstandards für die Gemeinschaftsverpflegung konkrete und verbindliche Bio-Anteile benennen? Die DGE begründet, warum sie das in den jetzt aktualisierten Standards nicht gemacht hat. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) hält das für eine verpasste Chance. Oekolandbau.de dokumentiert die verschiedenen Standpunkte zum Thema.

Zwei Fragen an Stephanie Klein

Stephanie Klein ist Expertin für Schulverpflegung im DGE-Projekt IN FORM in der Gemeinschaftsverpflegung.

Oekolandbau.de: Lebensmittel aus ökologischer Erzeugung spielen in den neu bearbeiteten DGE-Qualitätsstandards nur eine untergeordnete Rolle. Was sind die Gründe dafür?

Stephanie Klein: Oberstes Ziel der DGE-Qualitätsstandards ist die Unterstützung bei der Gestaltung eines gesundheitsfördernden und nachhaltigen Verpflegungsangebots in den fünf verschiedenen Lebenswelten. Damit sollen sie dazu beitragen, faire Ernährungsumgebungen zu schaffen. Dazu gehört es auch, dass an den Mahlzeiten alle teilhaben können sollten, unabhängig von ihrem sozialen Status. Dies zieht eine Kostensensitivität nach sich. Lebensmittel aus ökologischer Erzeugung sind also immer soweit wünschenswert, wie sie diesem Ziel nicht widersprechen. Auch wenn Ernährung und damit auch die Gemeinschaftsverpflegung unmittelbar mit Aspekten der Nachhaltigkeit verknüpft sind, wurde bei der Formulierung von Nachhaltigkeitskriterien, insbesondere solcher, deren Umsetzung höhere Kosten verursachen können, wie beispielsweise der Einsatz von Bio- oder fair gehandelten Produkten, genau abgewogen, um das oberste Ziel der DGE-Qualitätsstandards nicht einzuschränken.

Oekolandbau.de: In der Zukunftsstrategie ökologischer Landbau (ZöL) wird als Ziel genannt, den Anteil ökologisch erzeugter Produkte in möglichst vielen öffentlichen Einrichtungen auf mindestens 20 Prozent zu steigern. Die ZöL wird zwar im Kapitel 4.2 (Einkauf) erwähnt, aber es gibt in diesem Abschnitt keine klare Empfehlung für einen anzustrebenden Bio-Anteil. Wäre es nicht konsistent, so ein Ziel auch in den Qualitätsstandards zu formulieren? Warum hat sich die DGE dagegen entschieden?

Stephanie Klein: Mit einem festen Kriterium zum Einsatz ökologisch erzeugter Lebensmittel verleiht die DGE diesem Aspekt nun deutlich mehr Gewicht als zuvor. Tatsächlich ist zu beobachten, dass sich in den letzten Jahren viele Einrichtungen auf den Weg gemacht und den prozentualen Anteil ökologisch erzeugter Produkte in der Verpflegung erhöht haben. Vor allem in den Lebenswelten Kita, Schule und Betrieb liegt der Anteil teilweise bei weit mehr als 20 Prozent. Jedoch sehen wir auch die Einrichtungen, die im Zuge eines sehr engen Kostenrahmens wirtschaften müssen und für die bereits die Forderung eines mindestens 20 prozentigen Bio-Anteils nur schwer oder gar nicht umsetzbar ist. Dies ist zum Beispiel nicht selten in der Care-Verpflegung der Fall. Auch ob ökologisch erzeugte Produkte in den benötigten Mengen flächendeckend verfügbar sind, können wir nicht voraussetzen. Aus diesen Gründen haben wir die Zielformulierung aus der Zukunftsstrategie ökologischer Landbau als eine Orientierungsgröße im Kriterium aufgeführt, jedoch nicht als feste Vorgabe. Als Hilfestellung dazu, wie der Bio-Anteil auch bei limitiertem Budget erhöht werden kann, wird dort auf den Handlungsleitfaden des BMEL-geförderten Projekts "NACHHALTIG B|UND GESUND" verwiesen.

Eine Frage an Volker Krause

Volker Krause ist Vorstand für Verarbeitung im Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW).

Oekolandbau.de: Wie bewerten Sie den Stellenwert von ökologisch erzeugten Lebensmitteln in den aktualisierten DGE-Qualitätsstandards für die Verpflegung?

Volker Krause: DGE-Standards für Schulessen ohne ambitionierte Bio-Vorgaben? Wichtige Chance verpasst! Es wundert uns sehr, dass angesichts von Übergewicht und massiven Umweltschäden nicht alle Trittsteine genutzt werden, damit unsere Ernährung insgesamt nachhaltiger und für Mensch und Umwelt gesünder wird. Es gibt kein gesundes Schulessen auf einem kranken Planeten!

Ein hoher Bio-Anteil in Kantinen, Mensen und Kitas bringt fast automatisch deutliche Verbesserungen der Essensqualität. Das zeigt unter anderem das Bespiel Kopenhagen, wo das Schulessen durch 90 Prozent Bio frischer, gesünder und leckerer wurde. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner wirbt zwar mit der Kampagne BioBitte für mehr Bio in der Gemeinschaftsverpflegung des Bundes. Aber wenn sich an der öffentlichen Verpflegung von Millionen Menschen wirklich etwas ändern soll, braucht es mehr, auch von der DGE. Mehr Öko in der AHV trägt auch dazu bei, dass Bio-Bauern ihre Waren regional vermarkten können. Wer auf 20 Prozent Bio auf dem Acker zielt, muss auch auf der Nachfrageseite aktiv sein. Auch die EU hat das erkannt und deshalb mit der Strategie "vom Hof auf den Tisch" den Umbau von Landwirtschaft und Ernährung unter Beteiligung der gesamten Wertschöpfungskette gedacht. Ernährungspolitik ist dann wirksam, wenn sie eine nachhaltige Ernährungsumgebung unterstützt – zum Beispiel mit klaren Standards für hohe Bio-Anteile. Je früher man damit anfängt, desto besser. Denn was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Bund und Länder sind deshalb gleichermaßen gefordert, für mehr Bio schon in Kindergärten und Schule zu sorgen. Berlin, München, Bremen und andere Bio-Städte zeigen, wie es geht. Jetzt gilt es, diese Pionierleistungen in die Fläche zu tragen.


Letzte Aktualisierung 10.12.2020

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Ziel der Initiative ist es, den Bioanteil in der öffentlichen Außer-Haus-Verpflegung auf 20 Prozent und mehr zu steigern.

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